»Kritische Stimmen haben im Buchmarkt weniger Raum«
Interview: Hendrik PachingerAb Freitag findet sie wieder statt, die Linke Literaturmesse im Künstlerhaus in Nürnberg. Insgesamt 65 Veranstaltungen, Lesungen und Diskussionen sind geplant. Worauf kann sich das Publikum freuen?
Am Freitag auf eine fulminante Eröffnungsveranstaltung mit Prof. Dr. Frank Deppe, der EU-Parlamentarierin Özlem Demirel von der Linkspartei und dem Berliner Aktivisten Kim Kolja vom »Bund der KommunistInnen«. Wie gehen wir mit dem Rechtsruck um und wie bekommen wir den wieder auf links gebogen? Am Sonnabend wird beispielsweise Susann Witt-Stahl »Zur Ideologie der Zeitenwende« sprechen, am Sonntag Manfred Sohn »Eine Einführung« in »Die Sanktionsmaschine« geben. Vom Ukraine-Krieg über Betriebsarbeit, von Feminismus zum Ökosozialismus – wer hier nicht fündig wird, wird es nirgends (lacht). Ganz im Ernst: Wer auf die Homepage schaut und seiner Neugierde freien Raum lässt, wird nicht schlecht staunen.
Während es auf dem allgemeinen Buchmarkt immer enger wird und Monopole ihre Stellung ausbauen, wird auf der »Litmesse« wieder das »Who’s Who« der linken Verlage vertreten sein. Warum ist die Messe so wichtig für diese?
Seit fast drei Jahrzehnten bringt sie Menschen und Verlage zusammen, die abseits des Mainstreams agieren und eine kritische Gegenkultur aufbauen. Durch diese Breite an Verlagen und Themen lebt die Messe von einer linken Vielfalt, die es so respektvoll und groß tatsächlich nirgends sonst gibt. Sie bietet kleineren, oft finanziell weniger stark aufgestellten linken Verlagen eine dringend benötigte Bühne und Vernetzungsmöglichkeiten.
Durch den immer noch voranschreitenden Konzentrationsprozess im Buchmarkt bleibt für Nischenverlage und politisch-kritische Stimmen immer weniger Raum. Durch die vergleichsweise niedrigen Standgebühren, den einfachen Zugang zu Veranstaltungen und die Vernetzung mit anderen Verlagen und dem Publikum ist das eine unersetzliche Chance. Viele Verlage, die einmal kommen, bleiben, und in jedem Jahr gibt es Newcomer. In diesem Jahr allein sieben – und mit dem Pirtukxane-Verlag sogar einen aus den Niederlanden. Das Wachstum der Verlagsstände ist die deutlichste Sprache, dass hier eine wertvolle Literaturmesse stattfindet.
Auf der Messe und in den Vorträgen werden so ziemlich alle linken Strömungen präsent sein. Führt das nicht auch zu Konflikten?
Die Vielfalt der linken Strömungen ist tatsächlich eine Herausforderung. Allerdings eine immer kleiner werdende. Nach fast dreißig Messejahren hat sich ein gutes Miteinander etabliert. Die Vielfalt ist vor allem die Stärke der Messe. Wir bieten einen Raum, in dem Debatten und Meinungsverschiedenheiten Platz finden, ohne dass eine Strömung dominiert. Diese Vielfalt ist notwendige Voraussetzung, um neue Perspektiven zu entwickeln. Wir brauchen diesen Austausch so dringend – und auch die Auseinandersetzung miteinander. In der Hoffnung, dass damit die besten Argumente und Positionen entstehen. In Nürnberg tragen wir unseren Teil zu dieser notwendigen Entwicklung bei.
Das Wiederaufflammen des Krieges in Palästina hat 2023 aufgrund der terminlichen Nähe noch keine große Rolle gespielt. Könnte das dieses Mal anders werden?
Bereits im vergangenen Jahr war der Krieg präsent, hat sich aber noch nicht auf das Verlags- und damit auch nicht auf das Messeprogramm niederschlagen können. In diesem Jahr wird es dazu Veranstaltungen geben: Unter anderem wird Johannes Zang, der mehrere Jahre in Palästina gearbeitet hat, sein Papyrossa-Buch »Kein Land in Sicht? Gaza zwischen Besatzung, Blockade und Krieg« vorstellen. Ganz frisch im Neuen ISP-Verlag erschienen ist das gut recherchierte Buch »Apartheid in Israel. Tabu in Deutschland«. Darin zeigen drei Wissenschaftler Arne Andersen, Johannes Feest und Sebastian Scheerer die Situation in Israel und ihren Zusammenhang mit der deutschen Staatsräson auf. Neben diesen Programmbeiträgen wird das sicherlich auch bei den Gesprächen an den Messeständen Thema sein.
Raphael Fleischer arbeitet in der Vorbereitungsgruppe der 29. Linken Literaturmesse, die am Freitag in Nürnberg beginnt
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 04.11.2023
»Würde das öfter geschehen, wäre die Linke schon weiter«
- 07.11.2022
Praxis des Nettseins
- 27.10.2022
»Bei uns geht es mehr um die Vernetzung«
Mehr aus: Inland
-
Gegen die Wand gelaufen
vom 31.10.2024 -
Kapitalisten drängen Koalition
vom 31.10.2024 -
Freibrief für BAföG-Kürzer
vom 31.10.2024 -
Minusrunde für Geflüchtete
vom 31.10.2024