Chance auf Waffenruhe gering
Von Karin LeukefeldIsrael hat im Libanon ernst gemacht und nach dem Räumungsbefehl für die rund 80.000 Einwohner am Mittwoch die antike Stadt Baalbek in der Bekaa-Ebene bombardiert. 19 Personen wurden getötet, berichtete das Gesundheitsministerium in Beirut. Libanon wandte sich an das UNESCO-Welterbekomitee, um die römischen Tempelanlagen zu schützen, die bei Baalbek liegen. Israel nimmt bei seinen Angriffen keine Rücksicht auf kulturelle, zivile und ökologisch geschützte Orte: In Nabatäa wurde ein 400 Jahre alter Markt aus der osmanischen Zeit zerstört. In Tyros und Sidon sind historische Hafenanlagen aus der Zeit der Phönizier bedroht. Im Süden des Libanon werden Waldgebiete, die unter Naturschutz stehen, mit weißem Phosphor in Brand gesetzt.
Auch Einsatzkräfte werden gezielt angegriffen. Innerhalb von drei Stunden wurden am Donnerstag laut Gesundheitsministerium bei vier verschiedenen israelischen Luftangriffen sechs Rettungssanitäter getötet. Seit Beginn der militärischen Auseinandersetzungen mit Israel am 8. Oktober 2023 wurden im Libanon insgesamt 178 Rettungssanitäter getötet, 279 wurden verletzt und 246 ihrer Fahrzeuge von Israel zerstört.
Der israelische Nachrichtensender Kan veröffentlichte derweil Teile eines Dokuments, bei dem es sich um einen von US-Präsidentenberater Amos Hochstein verfassten Vorschlag für einen Waffenstillstand zwischen Israel und Hisbollah handeln soll. Hochstein und der US-Präsidentenbeauftragte für den Mittleren Osten, Brett McGurk, befanden sich am Donnerstag in Tel Aviv zu Gesprächen mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Das Papier ist auf den 29. Oktober datiert und beschreibt einen Mehrphasenprozess. Beginnend mit einem Waffenstillstand sollen sich alle israelischen Truppen innerhalb von sieben Tagen aus dem Südlibanon zurückziehen. In weiteren 60 Tagen soll dann die libanesische Armee die Kontrolle entlang der »Blauen Linie« übernehmen, und die UN-Sicherheitsratsresolution 1701 soll umgesetzt werden. Ein Mechanismus solle die Vereinbarung überwachen. Falls die internationalen Truppen Waffenlieferungen an die Hisbollah nicht verhinderten, werde Israel das Recht zugestanden, Libanon anzugreifen. Unklar ist, ob die Rede von UNIFIL, der UN-Friedensmission, ist, oder ob eine neue »internationale Truppe« aufgestellt werden soll.
Die Aussichten auf eine parallele Waffenstillstandslösung mit dem Gazakrieg sind jedoch gering. In Israel ist es ein offenes Geheimnis, dass Netanjahu auf die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten setzt. Der hat bereits signalisiert, die Zionisten bei ihren Plänen für die »Neuordnung der Region«, die Vertreibung der Palästinenser, Neubesetzung von Gazastreifen und Westjordanland und einen Krieg gegen Iran zu unterstützen. Internationale Beobachter und Journalisten spekulierten derweil, die Hisbollah sei geschwächt durch den Verlust ihrer langjährigen politischen und militärischen Führungspersönlichkeiten und werde ein Ende ihrer Angriffe auf israelische Militärziele nicht länger von einem Waffenstillstand in Gaza abhängig machen.
Der neu gewählte Generalsekretär der Hisbollah, Naim Kassem, erklärte dagegen am Mittwoch, die Hisbollah habe die schweren Schläge überwunden und sich auf allen Ebenen rasch neu formiert. Er selber werde in seiner neuen Funktion dem Weg von Hassan Nasrallah folgen, die Hisbollah sei auf einen »langen Krieg vorbereitet«. Sollte der Krieg enden, werde das entsprechend der Bedingungen der Hisbollah geschehen. Israel werde nicht mehr in der Lage sein, »seine Bedingungen zu diktieren«. Israel habe die Region seit 75 Jahren angegriffen, das werde der Widerstand stoppen, so Kassem.
Der Widerstand in Gaza und Libanon sei »die Voraussetzung für die Zukunft unserer kommenden Generationen«. Die Hisbollah verteidige das Land und unterstütze damit Gaza. Trotz der anhaltenden Luftangriffe Israels seien die Kämpfer der Hisbollah in der Lage, Raketen abzuschießen, »sie kämpfen mit Ehre«. An Israel gewandt sagte Kassem, es werde besiegt, »denn dieses Land gehört uns, und unser Volk ist mit uns verbunden. Verlassen Sie unser Land, um Ihre Verluste zu verringern«, so der neue Generalsekretär. »Sonst werden Sie einen nie dagewesenen Preis bezahlen.«
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