»Die Teillegalisierung reicht nicht aus«
Interview: Gitta DüperthalDie Stadt Frankfurt startet das Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis in lizenzierten Geschäften. Was wollen Sie damit erreichen? Geht es um Genuss oder medizinische Verwendung?
Wir haben das im Koalitionsvertrag angekündigte Modellprojekt auf den Weg gebracht, weil wir die Auswirkungen eines kontrollierten Zugangs zu Cannabis über Fachgeschäfte wissenschaftlich untersuchen wollen. Mit der Unterzeichnung der Absichtserklärung am Mittwoch habe ich den Startschuss dazu gegeben. Jetzt muss der Bund die Zuständigkeiten klären. Sobald das geschehen ist, kann die Studie beantragt werden. Frankfurt ist startklar. In der Studie dürfen dann registrierte Probandinnen und Probanden in eigens errichteten Fachgeschäften legal Cannabisblüten und THC-haltige Produkte zu Genusszwecken kaufen. Allerdings gibt es eine Einschränkung: Es geht nicht darum, jetzt in Frankfurt wahllos Cannabis zu verkaufen! Teilnehmen an der Studie dürfen nur Menschen, die in Frankfurt wohnen, volljährig und gesund sind. Ausgeschlossen sind schwangere oder stillende Frauen. Alle Probanden müssen zudem an regelmäßigen Befragungen und Untersuchungen teilnehmen. Ein Arzt entscheidet über die gesundheitliche Eignung. Die Studie soll uns wissenschaftlich verwertbare Daten liefern.
Wer sind die Betreiber, die eine Lizenz erhalten, um mit Cannabis zu handeln?
Betrieben werden die Geschäfte von der Sanity Group GmbH. Das Unternehmen hat bereits in der Schweiz viel Erfahrung mit ähnlichen Forschungsprojekten gesammelt. Daher hat sich die Stadt für die Zusammenarbeit entschieden.
Wer verdient am Verkauf, wie ist die Preisgestaltung?
Der Preis der verkauften Produkte orientiert sich weitgehend am Schwarzmarkt und dem THC-Gehalt. Wir sprechen also von rund zehn Euro für ein Gramm Cannabisblüten. Pro verkauftem Gramm muss die Sanity Group dann einen Euro für die Suchtprävention in Frankfurt zahlen. Zudem fließen fünf Prozent des Umsatzerlöses aller anderen Produkte in die Präventionsarbeit der Stadt. Dadurch werden die Aufklärungsarbeit und der Jugendschutz in Frankfurt finanziell weiter gestärkt. Denn Aufklärung und Prävention sind das Fundament einer verantwortungsvollen Drogenpolitik.
Wer beliefert die Läden?
Die Sanity Group bezieht ihre Produkte über eine pharmazeutische Tochterfirma.
Welche Rolle spielt die Stadt bei all dem?
Die Kosten des Modellprojekts werden allein von der Sanity Group getragen. Die Stadt zahlt nichts. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.
CDU-Politiker behaupten, dass sich die organisierte Kriminalität in diese Geschäfte hineindrängen könnte. Was sagen Sie dazu?
Das ist ausgeschlossen, da es sich hier um eine wissenschaftliche Studie handelt. Sie wird von unabhängigen Experten überwacht, ausgewertet und publiziert. Außerdem geht es ja gerade darum, perspektivisch die organisierte Kriminalität zu reduzieren. Wenn irgendwann Cannabis legal in Fachgeschäften verkauft werden darf, wird kaum ein Dealer mehr mit seinem gestreckten Zeug etwas anfangen können. Das wäre ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen das organisierte Verbrechen – und ein klares Bekenntnis zum Gesundheits- und Jugendschutz.
Was erhoffen Sie sich von diesem Projekt?
Die Teillegalisierung durch das Cannabisgesetz war ein guter erster Schritt. Aber das reicht nicht aus. Denn für viele Menschen kommen weder der Eigenanbau noch die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung in Frage – beides sind aber derzeit die einzigen Möglichkeiten, um legal an Cannabis zu kommen. Wir brauchen also in Zukunft weitere legale Bezugsquellen, um den Schwarzmarkt wirkungsvoll einzudämmen und die Verbreitung von verunreinigtem Cannabis zu verhindern. Ich wünsche mir, dass wir das mit den Ergebnissen aus unserem Modellprojekt wissenschaftlich belegen können. Dann können wir hoffentlich auch die letzten Skeptiker mit klaren Argumenten überzeugen.
Elke Voitl (Bündnis 90/Die Grünen) ist Dezernentin für Soziales und Gesundheit in Frankfurt am Main
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