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Aus: Ausgabe vom 01.11.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Haushaltspolitik in Großbritannien

Labours Budgetmanöver

Sozialdemokraten präsentieren Haushaltsplan im britischen Unterhaus – besonders betroffen Sozialhilfebezieher und Personen mit Handicaps
Von Chrisitan Bunke
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Werden regierungsamtlich extra zur Kasse gebeten: Verbraucher mit Einschränkungen (London, 28.10.2024)

Die Reaktionen auf die am Mittwoch im britischen Unterhaus von der sozialdemokratischen Finanzministerin Rachel Reeves vorgestellten Haushaltspläne könnten unterschiedlicher nicht sein. Paul Nowak, Generalsekretär des britischen Gewerkschaftsbundes TUC, sagte in einer ersten Stellungnahme: »Mit den heute vorgestellten Haushaltsplänen hat die Finanzministerin entschieden gehandelt, um eine Wirtschaft zu verwirklichen, die für arbeitende Menschen funktioniert.« Die bürgerlichen Medien Großbritanniens – Financial Times, The Times, The Telegraph, Daily Mail, um nur einige zu nennen – sprachen hingegen unisono von einem wirtschaftsfeindlichen Haushalt, der arbeitenden Menschen schade. Die Klassenlinien scheinen klar verteilt. Doch die Details vermitteln ein komplexeres Bild, als es das Medienecho zu vermitteln scheint.

Ein zentraler Bestandteil des vorgestellten Haushaltsplanes sind Steuererhöhungen um 40 Milliarden Pfund. 25 Milliarden davon sollen über eine Erhöhung der Anteile der Kapitalseite bei der britischen Sozialversicherung erzielt werden. Diese Maßnahme soll laut den Plänen der Finanzministerin im April kommenden Jahres wirksam werden. Daneben sind Erhöhungen der Kapitalertragsteuer geplant. Einkommen der britischen Mittelschicht sollen durch Verschiebungen bei den Einkommenssteuerklassen stärker belastet werden. Die so erzielten staatlichen Einnahmen möchte Reeves für Investitionen in das staatliche Gesundheits- und Bildungswesen nutzen. Darüber, wie diese Investitionen genau aussehen sollen, ist noch nichts Tragfähiges bekannt.

Für die Zeit nach der Einführung dieser Steuererhöhungen wird interessant sein zu beobachten, wie britische Unternehmen insbesondere mit den Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge umzugehen gedenken. Insbesondere in der Berichterstattung der Financial Times wurde lanciert, dass Unternehmen sich diese Ausgaben durch Stellenabbau und Lohnkürzungen zurückholen würden. Sollte dem so sein, liegt hier neuer Zündstoff für kommende Klassenkämpfe bereit.

Finanzministerin Reeves kündigte außerdem an, stärker als bisher Geld leihen zu wollen, um Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Dies wurde von Sharon Graham, der Vorsitzenden der britischen Industriegewerkschaft Unite, vorsichtig begrüßt. Gleichzeitig monierte Graham, dass Reeves keine Vermögenssteuer eingeführt habe. »Die 50 reichsten Familien in Großbritannien sind 500 Millionen Pfund wert. Eine Ein-Prozent-Steuer auf das reichste Prozent hätte zu staatlichen Einnahmen von 25 Milliarden Pfund geführt.«

Einer ersten Analyse des Thinktanks »Resolution Foundation« zufolge greift die Finanzministerin mit ihrem Budget sowohl höhere als auch niedrige Einkommen an. Sie alle müssen demnach mit zirka gleich verteilten Einbußen rechnen, wobei niedrige Einkommen dies naturgemäß schlechter verkraften können. Ein drastischer Einschnitt sind Kürzungen bei den Beihilfen für Heizkosten im Winter, mit denen Rentner ihre Pensionen aufstocken konnten. »Das ist unfair und einfach falsch«, so die Reaktion von Gewerkschaftschefin Graham. »Das Thema wird nicht verschwinden, wenn der Winter kommt. Und Unite wird sich führend dafür einsetzen, das rückgängig zu machen.«

In den Haushaltsankündigungen stecken auch Angriffe auf Sozialhilfebezieher und Personen mit Einschränkungen. Darauf weist die Kampagne »Disabled People Against Cuts« in einer Reaktion auf die Haushaltspläne hin. So plane die Regierung Änderungen bei den Richtlinien zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit für arbeitsunfähig geschriebene Personen. »Uns wurde berichtet, dass im Herbst ein Gesetzentwurf vorliegen soll, mit dem Ziel, Sozialhilfeempfängern Beihilfen zu streichen und sie zu Lohnarbeit zu verpflichten.« Außerdem seien Gesetze geplant, um Behörden den Zugriff auf die Konten von Sozialhilfeempfängern zu erlauben. »In der Budgetrede wurde kein Wort über höhere Finanzierung bei der Sozialfürsorge verloren«, kritisiert die Gruppe weiter. »Während Labour-Abgeordnete das Budget bejubeln und Tory-Kommentatoren die Auswirkungen der Steuererhöhungen beklagen, bleiben Menschen mit Behinderungen voller Angst und Wut ­zurück.«

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