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Aus: Ausgabe vom 01.11.2024, Seite 15 / Feminismus
Selbstbestimmungsgesetz

»Ein Zivil- und ein Militärgeschlecht«

Selbstbestimmungsgesetz tritt in Kraft – mit einigen Fallstricken. Ein Gespräch mit Juliana Franke
Von Annuschka Eckhardt
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Protest gegen die Verschärfungen im Selbstbestimmungsgesetz am 12. April in Berlin

An diesem Freitag tritt das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Was sind die Kernpunkte?

Das Selbstbestimmungsgesetz soll die Änderung von Geschlechtseintrag und Namen regeln und vereinfachen. Das bislang geltende sogenannte Transsexuellengesetz beruhte auf demütigenden Gutachten, früher auch verbunden mit Zwangssterilisierung. Es war ein extrem pathologisierendes und verurteilenswertes Gesetz. Die Neuerung eines selbsterklärungsbasierten Gesetzes unterstützen wir, aber nicht in der Form, wie sie jetzt herausgekommen ist.

Was ist Ihre Kritik daran?

Es gibt in diesem Gesetz Zugangsbeschränkungen zum Beispiel für Asylsuchende mit Duldung und Menschen im Asylverfahren. Und gerade sie müssen besonders häufig ihre Identifikationsdokumente vorzeigen. Auch das »Transsexuellengesetz« sah das vor, und der rassistische Ausschluss wurde hier beibehalten. Dann gibt es noch die Zeitfalle für Menschen mit Aufenthaltstitel, denn wenn innerhalb von zwei Monaten nach Abgabe einer Erklärung zur Änderung von Namen und Geschlechtseintrag ein sogenanntes Ereignis geschieht, das zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, wird die Änderung ungültig.

Welcher Gedanke steht dahinter?

In der Gesetzesbegründung heißt es explizit, dass dann das Indiz gegeben sei für eine missbräuchliche Erklärungsabsicht, die nur der Verhinderung einer Abschiebung dient, allein durch diesen zeitlichen Zusammenhang, wie sie es nennen. Es ist ein extrem perfider Mechanismus, über den man auch kaum etwas erfährt, so dass leider einige Menschen in solche Fallen tappen werden. Für Menschen mit Aufenthaltstitel ist das Gesetz mit dieser Zeitfalle historisch und gegenwärtig eine völlige Innovation, nicht einmal das »Transsexuellengesetz« sah so etwas vor. Gleiches gilt für den Hausrechtsparagraphen, in dessen Erläuterungsteil der Gesetzgeber u. a. eine Anleitung für Unternehmer untergebracht hat, mit welcher Begründung sie trans Frauen von Frauenparkplätzen werfen können. Es gibt also Neuerungen mit unabsehbaren, aber auf jeden Fall schlimmen Folgen. Und man muss befürchten, dass sich das andere Staaten bei ähnlichen Gesetzgebungen zum Vorbild nehmen.

Sie organisieren mit Ihrem Bündnis zum Inkrafttreten des Gesetzes in Berlin eine Demonstration, auf der Sie »Militärgeschlecht abschaffen« fordern. Was ist damit gemeint?

Das, was wir als Militärgeschlecht bezeichnen, ist tatsächlich ein Geschlecht, das wirklich nur für den Dienst an der Waffe gilt. Auch hier haben wir wieder unseren zeitlichen Zusammenhang: Wenn innerhalb von zwei Monaten vor der Ausrufung eines »Spannungs- oder Verteidigungsfalls« eine Erklärung zur Änderung von Namen und Geschlechtseintrag weg von männlich gemacht wird und man die deutsche Staatsbürgerschaft hat, dann wird das Geschlecht sozusagen gespalten – man bekommt ein Zivil- und ein Militärgeschlecht zugewiesen. Die Änderung betrifft also nur das zivile Leben. Bei einem Bußgeldbescheid wirst du also mit deinem neuen Namen als Frau angeschrieben, aber wenn es darum geht, dass du eingezogen werden sollst, ist der vorherige Geschlechtseintrag in diesem zeitlichen Zusammenhang bestimmend, und die Person bleibt männlich. Das ist natürlich ein Symptom der gesamten Mobilmachungspolitik, die gerade betrieben wird.

Wie wollen Sie protestieren?

Der Hauptpunkt, den wir bei der Veranstaltung kritisieren, ist der Paragraph zum Militärgeschlecht und entsprechend werden wir vor dem Brandenburger Tor um 15 Uhr eine Militärparade abhalten – für Freiheit, Gleichheit und autonome Uniformen, wie es in unserem Aufruf heißt. Für uns ist Entrechtung im Kriegsfall keine Errungenschaft, und das werden wir deutlich machen, aber auch andere der eben erwähnten Regelungen kritisieren. Das alles wird in den Kontext der allgemeinen Militarisierung und Mobilmachung in Deutschland gestellt, die wir ebenfalls verurteilen.

Juliana Franke ist Gründungmitglied des Bündnisses »Selbstbestimmung selbst gemacht«, arbeitet als Logopädin mit Behandlungsfokus auf trans Stimmtherapie. Über ihren Youtube-Kanal »Unruly Juli« klärt Franke seit 2019 über Mechanismen von Beherrschung und Ausbeutung auf, die an Abweichung von geschlechtlichen Normen anknüpfen

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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