Karlsruhe soll ran
Von Karim NatourBombenangriffe auf Krankenhäuser, systematische Zerstörung von Infrastruktur und hohe zivile Opferzahlen – all das ist aktuell nicht nur im Gazastreifen Realität, sondern in geringerem Umfang auch in Nord- und Ostsyrien. Die Türkei, NATO-Mitglied und EU-Beitrittskandidat, hat nach Angaben ihres Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vom Dienstag mindestens 470 Angriffe in Syrien und Irak durchgeführt. Schwerpunkt ist dabei die kurdisch geprägte sogenannte Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien.
Vor diesem Hintergrund haben am Donnerstag mehrere Nichtregierungsorganisationen Strafanzeige gegen den türkischen Präsidenten und führende Politiker sowie Militärs beim Generalbundesanwalt (GBA) in Karlsruhe eingereicht. Darüber informierten Vertreter des Netzwerks kurdischer Akademikerinnen, des Vereins für Demokratie und internationales Recht sowie des Vereins »Armut und Gesundheit« am Freitag bei einer Pressekonferenz in Berlin. Ebenfalls anwesend war Îlham Ehmed, Außenbeauftragte der de-facto-autonomen Region. Ehmed warf der türkischen Regierung systematische Angriffe auf Zivilisten sowie die Vertreibung und Verfolgung der kurdischen Bevölkerung in Syrien vor. Der GBA soll nach dem Völkerstrafgesetzbuch wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit Ermittlungen aufnehmen. Die Behörde stand am Freitag nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung.
Die türkische Regierung begründet die Angriffe mit dem Kampf gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die Ankara – wie auch die BRD – als »terroristische« Organisation einstuft. Vergangene Woche hatten zwei bewaffnete Personen das staatliche Rüstungsunternehmen Turkish Aerospace Industries (TAI) nahe der Hauptstadt angegriffen. Dabei wurden fünf Menschen getötet. Die PKK bekannte sich im Anschluss zu dem Angriff. Die kurdischen Militäreinheiten Nord- und Ostsyriens, die von den USA unterstützt werden, gelten als PKK-nah. Die syrische Regierung verurteilte die türkische Intervention in dem Land und die Unterstützung von Rebellen, die gegen Präsident Baschar Al-Assad kämpfen, mehrfach. Auch die US-Regierung zeigte sich besorgt über die militärische Eskalation seitens der Türkei. Gleichzeitig betonte Washington das Recht, die Verantwortlichen für den »terroristischen« Angriff in Ankara »zur Rechenschaft zu ziehen«.
Erdoğan werfen die Antragsteller unter anderem die gezielte Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen in Nord- und Ostsyrien seit 2016 vor. Gerhard Trabert, Vorsitzender des Vereins »Armut und Gesundheit«, zeigte sich am Freitag insbesondere über die medizinische Versorgungslage der Bevölkerung besorgt. Bereits im Dezember 2023 war in der Stadt Ain Al-Arab (Kobani) ein medizinisches Zentrum zerstört worden, dessen Träger der Verein war. Es könne nicht sein, dass »medizinische Einrichtungen gezielt zerstört« würden, sagte Trabert. Das gelte auch für »andere Konflikte weltweit«. Momentan arbeite man daran, ein neues medizinisches Versorgungszentrum in der Stadt zu bauen, auch wenn die Möglichkeit bestehe, dass dieses erneut zerstört werde.
Mit Blick auf die Erfolgsaussichten der Strafanzeige erklärte die Rechtsanwältin und Kovorsitzende des Vereins für Demokratie und internationales Recht, Heike Geisweid, Verbrechen in Syrien seien ein »Fokus der Generalbundesanwaltschaft«. Diese beschäftigte eine eigene Abteilung zu dem Thema. Daher hoffe man, »dass der Blick auf die Kriegsverbrechen gerichtet« werde. Daneben habe die Strafanzeige aber »auch eine politische Dimension«. In mehreren Fällen, in denen Palästinenser beim GBA Strafanzeige wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen der israelischen Armee im Gazastreifen eingereicht hatten, hatte die Behörde allerdings »keinen Anfangsverdacht für eine in ihre Zuständigkeit fallende Straftat« gesehen.
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