Offizielles Oligopol
Von Gudrun GieseLange bekannt, nun wieder ganz frisch belegt: Die Marktführer im bundesdeutschen Lebensmitteleinzelhandel nehmen für viele Produkte die gleichen Preise. Das Handelsblatt berichtete am Freitag über die Ergebnisse einer Studie mit der Preisvergleichs-App »Smhaggle«. Ergebnis: Ob Marken-Nuss-Nougat-Creme oder Schokokeksrolle – bei den vier Großen der Branche Aldi, Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland), Rewe (mit Penny) und Edeka (mit Netto) kosteten die Waren seit Jahren exakt gleich viel. Auch die Preissteigerungen der letzten Zeit verliefen synchron. Das große Glas der zuckrigen Schokocreme etwa wurde von Aldi Süd und Lidl fast gleichzeitig von 3,29 auf 3,49 Euro verteuert. Die Schokokekse kosteten 2022 bei allen großen Händlern 1,49, inzwischen 2,29 Euro. »Der angeblich harte Preiswettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel ist heute nur noch Show«, sagte Marc Houppermans, früher Geschäftsführer bei Aldi Nord und heute Berater bei »Discount Retail Consulting« gegenüber dem Handelsblatt.
An Zufälle glauben Experten nicht. Seit langem war absehbar, dass die dominierenden Lebensmittelhandelskonzerne, die rund 85 Prozent des Marktes unter sich aufteilen, sich mit Preiskämpfen zurückhalten. »Angesichts der weitgehend identischen Preise spricht viel für ein stillschweigend koordiniertes Verhalten der Unternehmen«, meint Daniel Zimmer Wettbewerbsrechtler an der Uni Bonn und früherer Chef der Monopolkommission. Die fortgeschrittene Konzentration fördere die stillschweigende Abstimmung. So kam auch die Monopolkommission in ihrem jüngsten Hauptgutachten zu dem eindeutigen Ergebnis, dass es an Wettbewerbsdruck fehle, was in der Nichtweitergabe sinkender Kosten an die Endkunden sichtbar werde. Alles deute auf »oligopolistisches Verhalten hin«. Das Bundeskartellamt hat allerdings in der Vergangenheit nahezu jede Arrondierung im Lebensmitteleinzelhandel durchgewunken. Ob es um die Supermarktketten Spar, Kaisers-Tengelmann oder Real ging, am Ende verleibten sich die Marktführer diese Unternehmen ein. Die wenigen verbliebenen Händler außerhalb des Oligopols hätten es zunehmend schwer mit ihrer Preisgestaltung, heißt es im Handelsblatt. Sie erhielten schlechtere Konditionen beim Einkauf und könnten sich schlechter behaupten.
Dass die Entwicklung alles andere als neu ist, zeigt ein Blick in den Kölner Stadt-Anzeiger vom 12. Juli 2023: Da wurde über einen Marktcheck der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen berichtet, wonach »die Preise von vergleichbaren Produkten bei Edeka, Rewe, Lidl und Aldi Süd zum Teil bis auf den Cent identisch« gewesen seien. Mitarbeiter der örtlichen SPD-Fraktion überprüften die Aussage mit Testeinkäufen und kamen bei einem aus Grundnahrungsmitteln bestehenden Warenkorb zu dem erstaunlichen Ergebnis vollständig gleicher Kosten bei drei der vier Konzerne. Nur Lidl wich um 10 Cent nach oben ab. Das alles berge sozialen Sprengstoff, mahnte die Kölner SPD. Wie sich auf die Preisgestaltung des Lebensmitteleinzelhandels Einfluss nehmen lasse, konnte sie aber nicht beantworten. Zumindest gegen immer weiter steigende Lebensmittelpreise forderten Sozialverbände bereits Gegenmittel wie Preisdeckel.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (2. November 2024 um 09:41 Uhr)Der freie Markt, der alles zum Besten regulieren kann – das ist der Popanz, den die angeblich »soziale« Marktwirtschaft seit Jahrzehnten vor sich herträgt. Wo man die aus Selbstlob geflochtene Decke darüber auch nur ein Stückchen anhebt, stinkt es sofort bis zum Himmel. Das perfekte Rezept der Herrschenden bleibt: die Nase zu- und Augen und Mund immer fest geschlossen halten. Außer, wenn es gilt, dem allmächtigen Markt mal wieder ein Loblied zu singen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Petra L. aus Thyrow (2. November 2024 um 09:26 Uhr)Wenn die Konzerne offensichtlich in ihrer Geschäftstätigkeit vergesellschaftet sind – fast jeder kauft bei ihnen ein –, ist genauso offensichtlich das einzige Gegenmittel die Vergesellschaftung auch der Leitung. Alles andere ist Herumdoktern an Symptomen.
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