Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 02.11.2024, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Es ist Völkermord

Die UN-Sonderberichterstatterin für Palästina hat ihren neuesten Menschenrechtsbericht vorgelegt
Von Jakob Reimann
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Auch in der Westbank zerstört Israel systematisch die Lebensgrundlagen der Palästinenser (Tulkarem, 31.10.2024)

Da Israel einen Genozid gegen die Palästinenser in Gaza begehe, sollten die Vereinten Nationen erwägen, die Mitgliedschaft Israels in der Weltgemeinschaft auszusetzen. Das forderte Francesca Albanese, UN-Sonderberichterstatterin für die Palästinensergebiete, am Donnerstag vor einem UN-Ausschuss in New York, einen Tag nach Veröffentlichung ihres jüngsten Berichts, aus dem ebendies hervorgeht: »Die Gewalt, die Israel nach dem 7. Oktober gegen die Palästinenser entfesselt hat, ist Teil einer langfristig angelegten, systematischen, staatlich organisierten Zwangsvertreibung und Verdrängung der Palästinenser.« Und während »die Zerstörung des Gazastreifens unvermindert anhält, blieben auch andere Teile des Landes nicht verschont«, meint Albanese in Hinblick auf die Gewalt des israelischen Staates und faschistischer Siedler auch im Westjordanland. Diese Entwicklungen würden daher die Gefahr bergen, »dass die Existenz des palästinensischen Volkes in Palästina irreparabel geschädigt wird«. Daher müssten die UNO-Mitgliedstaaten »jetzt eingreifen, um neue Grausamkeiten zu verhindern«.

Francesca Albanese sieht sich seit längerem persönlichen Angriffen von seiten Israels wie der USA ausgesetzt. Auch diesmal blieben aus Washington und Tel Aviv Attacken als Reaktion auf ihren Bericht nicht aus. Anfang der Woche sollte sie eigentlich den US-Kongress über ihre Erkenntnisse über die Lage in Palästina informieren. Doch die Regierung unter Präsident Joseph Biden hatte das Briefing kurzerhand wieder abgesagt. Albanese sei »für ihre Rolle ungeeignet«, bekräftigte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, am Dienstag in einer Erklärung auf X die Position der Biden-Administration. »Die Vereinten Nationen sollten keinen Antisemitismus von einer UN-Beauftragten dulden, die mit der Förderung der Menschenrechte beauftragt ist«, so Thomas-Greenfield weiter mit schweren Vorwürfen gegen Albanese, für die sie freilich keine Belege vorlegen konnte. Einen Tag später votierten die USA gegen eine Resolution der UN-Generalversammlung, in der 187 Staaten Washington aufforderten, das seit über sechs Jahrzehnten währende Embargo gegen Kuba endlich zu beenden. Der einzige Staat, der sich in dieser Abstimmung zusammen mit den USA gegen den Rest der Welt stellte, war Israel.

Angesichts der persönlichen Angriffe betonte Albanese, dass die Anerkennung, dass in Gaza ein Genozid stattfinde, entscheidend sei, wenn man ihn unterbinden wolle, und zog Parallelen zu Völkermorden in Europa oder Ruanda. Die Behandlung der Palästinenser sowie die von israelischen Politikern und Militärs getätigten Äußerungen würden auf eine konkrete Absicht hindeuteten, das palästinensische Volk systematisch zu zerstören, was ein entscheidendes Merkmal von Genoziden sei. In ihrem Bericht dokumentiert Albanese systematische Handlungen, die einen Genozid im Sinne der UN-Völkermordkonvention darstellen. Demnach gebe es eine konzertierte Kampagne, die palästinensische Präsenz in Gaza wie auch im Westjordanland durch Zwangsvertreibung, Zerstörung der Infrastruktur und gezielte Angriffe auf Zivilisten auszulöschen.

Der Bericht trägt den Namen »Genozid als koloniale Auslöschung«, und im Interview mit dem US-amerikanischen Magazin Democracy Now weist Albanese auf die zentrale Bedeutung des Aspekts des Kolonialismus hin, der sich etwa im »Prozess der Annexion, der rassistischen Segregation und der Apartheid« zeige. Die Unterdrückung der Palästinenser weise »Merkmale des Siedlerkolonialismus wie die Aneignung von Land, die Aneignung von Ressourcen, die Verdrängung der lokalen Bevölkerung und ihren Austausch« auf. Die systematischen Aktionen des israelischen Staats zielten darauf ab, die Palästinenser »auszulöschen«. Albanese betonte die Notwendigkeit einer globalen Intervention, um weitere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, die Rechte der Palästinenser zu schützen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Horst-Peter M. aus Wuppertal (3. November 2024 um 13:39 Uhr)
    Allmählich habe ich die Faxen dicke. Ich protestiere gegen die Überschrift. Völkermord ist definiert durch die Absicht, eine Bevölkerung nach aus ethnischen, religiösen, rassischen oder nationalen Gründen ausrotten zu wollen. Dies ist nicht der Fall. Eine erklärte Absicht des Staates Israels, dies bewirken zu wollen, ist auch nicht erkennbar. Eine Vertreibung von Palästinensern aus ihren Gebieten ist hingegen natürlich bezweckt und gegeben und eine ungeheuerliche Grausamkeit. Schon das Aushungern des Gazastreifens ist eine Völkerrechtsverletzung. Und auch dagegen muss natürlich protestiert werden. Aber es IST kein Völkermord.
    • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (4. November 2024 um 16:56 Uhr)
      Ab wann ist Mord Mord? Und wie viele müssen es genau sein, damit Sie ihn abscheulich genug finden?Und bereit sind, ihn als das zu kennzeichnen, was er ist: Ein Massenabschlachten einer Völkerschaft. Auch wenn es immer noch Überlebende gibt. Sie empören sich im Kern darüber, dass es noch nicht ausreichend Tote gibt. Wollten Sie das wirklich ausdrücken? Ich fände das ungeheuerlich.
    • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (4. November 2024 um 11:32 Uhr)
      Und der zum Tode Verurteilte forderte, dass man ihn »exekutieren«, nicht aber »hinrichten« möge. Das war ihm dann aber doch noch wichtig. Da fällt mir nur noch Kurt Tucholsky ein: »Meine Sorgen möcht’ ich haben!«

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