Menschenrechte nicht so wichtig
Von Jörg TiedjenDie Westsahara ist eines der ältesten Themen, die regelmäßig den Weltsicherheitsrat beschäftigen. Warum es so schwer ist, eine Lösung für den anhaltenden Konflikt zwischen Marokko und der Befreiungsfront Polisario um die alte spanische Kolonie zu finden, ist am Donnerstag erneut offenbar geworden, als wie jedes Jahr die Verlängerung des Mandats der Minurso auf dem Programm stand. Ursprünglich sollte die »Blauhelmtruppe« dazu dienen, ein Unabhängigkeitsreferendum zu organisieren. Auch sollte ein 1991 vereinbarter Waffenstillstand überwacht werden. Doch von diesem kann keine Rede mehr sein. Seit Marokko ihn 2020 brach, herrscht wieder Krieg in der Westsahara. Um so weiter entfernt scheint das Referendum.
Gleichwohl stand die Fortführung der Minurso in New York nicht zur Debatte. Die entsprechende Resolution wurde mit zwölf Jastimmen und zwei Enthaltungen angenommen. Nur das nichtständige Ratsmitglied Algerien, das einer der wichtigsten Unterstützer der Polisario-Front ist, weigerte sich aus Protest, überhaupt an der Abstimmung teilzunehmen. Der Grund dafür war, kurz gefasst, der flagrante Rechtsnihilismus insbesondere der beiden Vetomächte USA und Frankreich.
Die vom »Penholder« USA ausgearbeitete Resolution unterscheidet sich wenig von den vorhergehenden, die ebenfalls formelhaft »eine politische Lösung auf der Grundlage eines Kompromisses« forderten. Allerdings bezweifelt Algerien, dass sie durch Roundtablegespräche zu erreichen sei, an denen auch es selbst und das benachbarte Mauretanien teilnehmen sollen, wie es in dem Text heißt. Schließlich sei Marokko schon bei früheren »runden Tischen« in dieser Zusammensetzung nicht bereit gewesen, über anderes als seinen 2007 vorgelegten »Autonomieplan« zu reden.
Auch wollte Algerien, dass die Resolution erweitert wird: um eine Verpflichtung für Marokko, Delegationen des UN-Menschenrechtskommissariats in die von ihm besetzten Gebiete der Westsahara zu lassen, und um eine entsprechende Ausweitung des Mandats der Minurso auf die Beobachtung der Menschenrechte. Schließlich sei dies die einzige UN-Mission, die keine solche Aufgabe habe. Beide Zusätze fanden aber nicht die notwendige Mehrheit.
Algeriens Botschafter Amar Bendjama warf den USA bei dem Treffen vor, »nicht neutral« zu sein. Er fügte hinzu, dass die Ratsmitglieder »in New York und daheim« unter Druck gesetzt worden seien. Nachdem Frankreichs UN-Botschafter Nicolas de Rivière in der Debatte erklärt hatte, dass Paris auf eine »Autonomie der Westsahara unter marokkanischer Souveränität« setze, was der Position Rabats entspricht, wies Bendjama darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof erst Anfang Oktober in letzter Instanz bestätigt hat, dass die Westsahara und Marokko zwei unterschiedliche Länder sind.
Auch die Polisario-Front beklagte in einer im Anschluss an die Abstimmung verbreiteten Erklärung, dass »einflussreiche Mitglieder« des Sicherheitsrats die Minurso weiter daran hinderten, ihrem ursprünglichen Mandat nachzukommen, nämlich besagtes Referendum zu organisieren. Zudem kündigte sie an, den bewaffneten Kampf gegen Marokko zu intensivieren. Marokkanische Medien wiederum verbuchten die neue Resolution als Erfolg im Ringen um die »marokkanische Sahara«.
Vor der Sitzung hatte der UN-Sonderbeauftragte für die Westsahara, Staffan de Mistura, in einem Brief an den Sicherheitsrat verlangt, dass alle Optionen für eine Lösung des Konflikts auf den Tisch gehörten, darunter auch eine Teilung des Gebiets, die aber umgehend von der Polisario und Marokko abgelehnt wurde. Auch hatte der schwedisch-italienische Diplomat, der zugleich sein Amt zur Disposition stellte, Medienberichten zufolge Marokko aufgefordert, seinen »Autonomieplan« zu erläutern. Doch das soll dessen Außenminister Nasser Bourita verweigert haben, da dazu noch nicht die Zeit sei. Mit anderen Worten: Der angebliche »Plan« ist bisher nur Blendwerk. Klar erkennbar ist lediglich die Weigerung Marokkos und seiner Verbündeten, sich an internationales Recht zu halten.
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