Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Montag, 23. Dezember 2024, Nr. 299
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 04.11.2024, Seite 4 / Inland
Resolution zu Antisemitismus

Konsequent repressiv

Ampelfraktionen einigen sich auf Resolution zum »Kampf gegen Antisemitismus«. Scharfe Kritik aus Zivilgesellschaft
Von Jamal Iqrith
4.JPG
Deutsche Staatsräson: Unverrückbar an der Seite Israels (Berlin, 9.11.2023)

Rund ein Jahr nachdem der Deutsche Bundestag einmütig seine Treue zu Israel beschworen hatte, haben sich Ampelfraktionen und Union nach langen Verhandlungen auf einen Antrag zum Thema Antisemitismus in Deutschland geeinigt. Das fünfseitige Papier trägt den Titel »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« und wurde am Freitag öffentlich. Bereits in der anstehenden Woche soll der Antrag im Bundestag eingebracht, beraten und abgestimmt werden, wie die Fraktionen am Abend bekannt gaben.

Dabei geht es nur vordergründig um Antisemitismus. Im Kern werden autoritäre Maßnahmen gefordert, mit denen der trotz harscher Repression weiter wahrnehmbare Protest gegen den israelischen Kolonialkrieg im Gazastreifen noch umfassender unterdrückt werden soll – unter dem Deckmantel der Antisemitismusbekämpfung. Auch grundsätzliche Kritik am Zionismus steht im Fokus. So rufen die Fraktionen dazu auf, »Gesetzeslücken zu schließen und repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen«, insbesondere im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht. Schuld an dem seit »Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau« von »Judenhass und israelbezogenem Antisemitismus« seit dem »grausamen Terror-Überfall der Hamas« am 7. Oktober 2023 sind demnach »nicht zuletzt« Migranten aus arabischen Ländern. In den vergangenen Monaten sei das »erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus« deutlich geworden, der »auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert«, heißt es in dem Text.

Die Bundesregierung solle sich weiterhin »aktiv für die Existenz und die legitimen Sicherheitsinteressen des Staates Israel« einsetzen. Zur israelischen Kriegführung im Gazastreifen, die inzwischen mindestens 43.000 Palästinenser das Leben gekostet hat und von Genozidforschern als Völkermord eingestuft wird, heißt es, Israel habe das »völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen völkerrechtswidrige Angriffe zu verteidigen«. Ferner werden Schulen und Hochschulen dazu ermutigt, bei »antisemitischem Verhalten« mit dem »Ausschluss von Unterricht oder Studium bis hin zur Exmatrikulation« zu reagieren. Länder, Bund und Kommunen sollen im Bereich von Kunst und Kultur sicherstellen, dass keine Projekte und Vorhaben »mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden«. Bei Entscheidungen soll maßgeblich die IHRA-Antisemitismusdefinition herangezogen werden. Die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance wird allerdings von zahlreichen Wissenschaftlern als vage und irreführend kritisiert.

Prominent sind zudem Maßnahmen gegen die sogenannte BDS-Bewegung, ein globales Netzwerk von Initiativen, die sich nach dem Vorbild der Antiapartheidbewegung in Südafrika für einen Boykott israelischer Produkte, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel aussprechen. So soll der Bundestag bekräftigen, dass »keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert« werden dürfen, die »das Existenzrecht Israels infrage stellen«, zum »Boykott Israels aufrufen oder die BDS-Bewegung aktiv unterstützen«. Auch Verbote »extremistischer Organisationen« werden in dem Entwurf gefordert. Im November 2023 hatte das Innenministerium das palästinensische Gefangenennetzwerk Samidoun verboten. Nun soll »ein Betätigungsverbot oder ein Organisationsverbot von BDS in Deutschland« geprüft werden.

Ähnlich wie der BDS-Beschluss von 2019 ist der vorliegende Antrag nicht rechtsverbindlich, dürfte aber gleichwohl erhebliche politische Wirkung entfalten. Kritik kam indessen von zahlreichen Organisationen und über 900 Künstlern, Juristen und Wissenschaftlern, die sich in einem offenen Brief hinter einen Alternativvorschlag stellen, der Ende Oktober in der FAZ erschienen war. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sehen aufgrund der Resolution Grundrechte in Gefahr. Auch israelische Gruppen hatten einen früheren Entwurf kritisiert und vor der drohenden Zensur jüdischer Stimmen gewarnt.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Barbara W. aus Berlin (4. November 2024 um 10:19 Uhr)
    Natürlich muss jüdisches Leben in der BRD geschützt werden, genauso wie das Leben aller Menschen in unserem Land. Rassismus jeder Art ist abzulehnen – überall auf der Welt und von jedem Menschen auf unserer Erde. Aber was hat das mit dem Staat Israel zu tun? Israel ist ein offen rassistischer Staat, der seit 1948 das palästinensische Volk unterdrückt, ihm gleiche Rechte verwehrt und Palästinenser vom eigenen Grund und Boden vertreibt. Hat irgend eine israelische Regierung dem palästinensischen Volk jemals die Hand gereicht und sich für eine gute Zusammenarbeit und Gleichberechtigung beider Völker in einem gemeinsamen Land ausgesprochen? Niemals! Den Regierenden unseres Landes empfehle ich das Gedicht »Höre, Israel« von Erich Fried, 1974 veröffentlicht. Das von Völkerrechtlern bereits als Genozid bezeichnete Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza macht mich sehr betroffen. Darüber muss auch in unserem Land offen gesprochen werden dürfen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Markus P. aus Frankfurt (7. November 2024 um 07:14 Uhr)
      »Darüber muss auch in unserem Land offen gesprochen werden dürfen.« – Ja, muss es und kann es zum Glück auch noch an einigen Plätzen. Ich empfehle allen, es wie ich zu machen und ihrem/ihren gewählten und/oder zuständigen Wahlkreisabgeordneten zu schreiben.
    • Leserbrief von Steffen Krause aus Berlin (4. November 2024 um 15:49 Uhr)
      »Hat irgend eine israelische Regierung dem palästinensischen Volk jemals die Hand gereicht und sich für eine gute Zusammenarbeit und Gleichberechtigung beider Völker in einem gemeinsamen Land ausgesprochen? Niemals!« – Das stimmt so nicht ganz! Jitzchak Rabin hat in seiner zweiten Amtszeit als israelischer Ministerpräsident, zusammen mit Jassir Arafat, aktiv einen Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern befördert. Dafür ist er, gemeinsam mit Arafat, 1994 mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden. Und 1995 wurde er dafür auf einer Friedenskundgebung von einem israelischen Jurastudenten ermordet. Der Untersuchungsbericht zu seiner Ermordung unterliegt heute noch, in Teilen, der Geheimhaltung …

Ähnliche:

  • Eine Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin wurde am Sonntag...
    18.10.2023

    Hexenjagd in vollem Gange

    Repression gegen Palästina-Proteste wird forciert: Rufe nach Haftstrafen und Ausbürgerungen. Mittwoch »Aktuelle Stunde« im Bundestag

Mehr aus: Inland