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Aus: Ausgabe vom 04.11.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Die Macht des großen Geldes

Das US-Kapital wählt

Oligarchen bei Unterstützung für Harris oder Trump uneins. Blackrock-Chef: Wahlen spielen »auf lange Sicht keine Rolle«
Von Jörg Kronauer
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Gute Kumpels geworden: Elon Musk, reichster Mensch der Welt, setzt auf Donald Trump

Auf welcher Seite steht im US-Wahlkampf eigentlich das dortige Kapital? Die Bedeutung der Frage liegt auf der Hand – und das nicht bloß, weil Milliardäre riesige Summen in die Kampagnen von Donald Trump oder von Kamala Harris stecken und damit die Durchschlagskraft der einen oder der anderen Seite massiv stärken. Auch bürgerliche Politikwissenschaftler, etwa Jan-Werner Müller von der Princeton University, räumen ein, dass die »konservativen Eliten und vor allem auch Wirtschaftseliten«, wie Müller in der vergangenen Woche gegenüber dem Handelsblatt konstatierte, zwar »nicht allein, aber doch maßgeblich« entschieden, »ob die freie oder die geschlossene Gesellschaft«, will sagen: Harris oder Trump, die bevorstehende Wahl gewinnt. Das Problem: Das US-Kapital ist sich nicht einig. Feste Fraktionen sind kaum auszumachen.

Harris wird öffentlich vor allem von einem bunten Zweckbündnis von Konzernherren und -vertretern unterstützt, die zuerst Anfang September in einem offenen Brief für die Kandidatin warben und seit Anfang Oktober unter dem Namen Business Leaders for Harris auftreten. Zu ihnen gehören Figuren aus der Internetbranche, etwa die Mitgründer von Netflix, Reed Hastings, und LinkedIn, Reid Hoffman, oder der Chef des Cloudanbieters Box, Aaron Levie. Auch andere Branchen sind vertreten, etwa Großbanken wie die Bank of America, Kfz-Konzerne wie Ford, Firmen wie Pepsico und American Airlines. Dabei fällt auf, dass sich für Harris oft nicht aktive, sondern ehemalige Konzernchefs aussprechen. Das kann zweierlei Gründe haben: Entweder wollen sich die amtierenden Chefs, wie Hoffman vor kurzem behauptete, mit Rücksicht auf ihre Kunden – und die eben noch nicht feststehenden nächsten Bewohner des Weißen Hauses – nicht festlegen; oder sie teilen die Festlegung ihrer Vorgänger nicht mehr.

Letzteres zeichnet sich vor allem bei den mächtigen Internetkonzernen ab, die lange zum großen Teil den »Demokraten« nahestanden. Einen Schwenk vollzogen hat nicht nur Elon Musk, der offen für Trump wirbt, sondern auch Jeffrey (Jeff) Bezos. Der Amazon-Gründer verbot der Washington Post, die er 2013 gekauft hat, ihre traditionelle Wahlempfehlung auszusprechen. Die hätte gewiss Harris gegolten. Nicht nur einige, nein, das Silicon Valley insgesamt, besonders die Kryptobranche sind laut Beobachtern dabei, nach rechts zu rücken. Das hat Gründe. Der wohl wichtigste: Die Branche setzt im Kampf gegen die globale Konkurrenz, nicht zuletzt gegen diejenige aus China, auf eine möglichst starke Deregulierung etwa der künstlichen Intelligenz (KI) oder auch der Finanzbranche, um ihren Potenzialen freien Lauf zu lassen. Trump, diesbezüglich ganz libertär, ist dazu stärker als Harris bereit.

Wenig erstaunlich: Die Konzerne der Öl- und Gasbranche unterstützen Trump, von dem kein weiterer Schub hin zu erneuerbaren Energien zu erwarten ist. Allerdings lohnt ein genauer Blick: »Big Oil«, also Konzerne wie Exxon Mobil, berichtete Anfang Oktober das Wall Street Journal, stünden bei Trump auf der Matte, um ihn davon abzubringen, die Energiewendesubventionen des Biden’schen Inflation Reduction Act (IRA) zu streichen. Davon profitieren auch sie immens. Tendenziell auf Trumps Seite positioniert sich außerdem die Kfz-Branche, wenngleich sie auch Harris eine gewisse Unterstützung zukommen lässt – das wohl in der Hoffnung auf eine fortgesetzte Förderung von Elektroautos; die 100-Prozent-Strafzölle der Biden-Administration auf die Einfuhr chinesischer Elektroautos, die selbst ein Trump kaum noch toppen kann, haben Eindruck gemacht.

Gewicht besitzt bei alledem ein Einwand von Blackrock-Chef Laurence (Larry) Fink, den auch das Handelsblatt vergangene Woche zitierte. Fink erklärte, er spreche mit beiden Seiten; Wahlen würden seiner Ansicht nach »auf lange Sicht keine Rolle spielen«. Und irgendwie hat er damit ja auch recht: Dem US-Kapital ist es bislang noch immer gelungen, im Fall der Fälle entscheidenden Einfluss auf die Politik seiner Regierungen zu wahren.

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  • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (4. November 2024 um 08:09 Uhr)
    »Dem US-Kapital ist es bislang noch immer gelungen, … entscheidenden Einfluss auf die Politik seiner Regierungen zu wahren.« Ist Politik im marxistischen Verständnis nicht eigentlich immer »der konzentrierte Ausdruck der Ökonomie«? Und gilt es nicht auch immer bei jeder Analyse politischer Vorgänge auf ihren wirklichen Kern zu schauen – auf die ökonomischen Interessen der jeweils herrschenden Kapitalfraktion? Politik entsteht nicht aus sich selbst und schon gar nicht aus den Interessen der Mehrheit heraus. Dass es diese Mehrheiten bei den agierenden Politikern oder im Volke wären, die die Politik prägten, ist eine fromme Mär. Diesen Schleier sollten wir von all dem herunterziehen, was man uns über Macht und Machtkämpfe erzählt. In den USA ist wunderbar zu sehen: Mit realen Moneten schafft man sich reale Macht und mit der Macht dann neue Moneten. Scheint also was dran zu sein mit der Politik als konzentrierter Ausdruck der Ökonomie.

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