Morales gegen Arce
Von Volker HermsdorfIn Bolivien eskaliert der Machtkampf zwischen Staatschef Luis Arce und dem im November 2019 von rechten Putschisten gestürzten ehemaligen Präsidenten Evo Morales. Beide Politiker gehören der mittlerweile gespaltenen linken Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (Movimiento al Socialismo, MAS) an und wollen bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr kandidieren. Zur Unterstützung ihres Favoriten haben Anhänger von Morales seit gut 20 Tagen Straßenblockaden errichtet. Nach einer Polizei- und Militäroperation, bei der 66 Blockierer festgenommen wurden, die nun wegen »Terrorismus« angeklagt werden sollen, trat der Expräsident am Freitag in den Hungerstreik. Laut Angaben des Außenministeriums wurden im Departement Cochabamba einen Tag später drei Militäreinheiten attackiert. Die Angreifer sollen mehr als 200 Soldaten als Geiseln festgesetzt, sowie Waffen und Munition an sich genommen haben.
Die Regierung habe »natürlich das Recht, den freien Transit zu garantieren, aber eine solche Repression ist eine neue Provokation seitens der Regierung«, verurteilte der ehemalige Präsident gegenüber dem Radiosender Kawsachun Coca das Vorgehen gegen seine Anhänger. Während Einsatzkräfte Tränengas auf die »Evistas« feuerten, hatten Polizei und Militär die Blockaden in Morales’ politischer und gewerkschaftlicher Hochburg Parotani (Cochabamba) mit Bulldozern gewaltsam beendet und zahlreiche Aktivisten verhaftet. Dabei wurden mehrere Demonstranten und Polizisten verletzt. »Arme Genossen, es ist ein Skandal. Glücklicherweise hat sich eine Gruppe von Anwälten zusammengefunden, und wir werden für ihre Freilassung kämpfen«, kommentierte Morales die Terrorismusanklagen. Obwohl er seine Anhänger am Freitag aufgefordert hatte, eine Pause der Blockaden zu erwägen, um angesichts des Vorgehens von Polizei und Militär »Blutvergießen zu vermeiden«, beschlossen die Demonstranten, den Druck aufrechtzuerhalten, und erklärten, angesichts »der Brutalität der Regierung von Luis Arce« in einen Hungerstreik zu treten. Morales schloss sich der Aktion an und versicherte, den Hungerstreik so lange fortzusetzen, bis die Regierung einem Dialog zustimme.
Das Ziel »unseres Streiks ist die Beendigung der Repression und ein sofortiger und aufrichtiger Dialog mit internationaler Begleitung, zusammen mit befreundeten Ländern und internationalen Organisationen«, so der ehemalige Staatschef in einer auf X veröffentlichten Nachricht. Er erinnerte daran, »dass wir seit Anfang September unsere Liste von Forderungen bekanntgemacht haben. Die Antwort von Arce darauf war Repression, ein Justizkrieg und die Geiselnahme von Dutzenden unserer Genossen, die nach La Paz gebracht wurden.« Morales beschuldigte die Regierung, »Staatsterrorismus« zu betreiben. Angesichts dessen bestehe er auf einer internationalen Präsenz beim Dialog. Morales’ Anhänger werfen Arce eine Mitschuld an der Wirtschaftskrise vor. Sie fordern unter anderem »eine Lösung für die Dollar- und Treibstoffknappheit«, die Rücknahme eines Gerichtsverfahrens gegen ihren Anführer wegen angeblicher »Verführung Minderjähriger und Menschenhandel« sowie die Anerkennung einer Forderung des Morales-Flügels der MAS, den ehemaligen Staatschef als Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen 2025 aufzustellen.
Arce hatte demgegenüber noch am Freitag erklärt, dass »kein Dialog möglich ist, solange die Wirtschaft unter den Straßenblockaden leidet«. Weiter kündigte er an, dass die Einsätze in Parotani nur »der erste Schritt« gewesen seien, um alle noch bestehenden Blockaden zu beenden. Das bolivianische Außenministerium bezeichnete den Hungerstreik als »Intrige«, die lediglich darauf abziele, die Amtszeit Arces zu verkürzen. Der zum radikalen MAS-Flügel gehörende Parteichef Morales und der als »Pragmatiker« geltende Arce haben sich seit dessen Amtsantritt im November 2020 aufgrund politischer Differenzen entfremdet. Ein Konflikt innerhalb der MAS über den Kandidaten der Regierungspartei für die kommende Präsidentschaftswahl haben die Gräben zwischen beiden Lagern vertieft.
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