Tories wählen Thatcher 2.0
Von Dieter ReinischSchlussendlich hat dann doch die Favoritin gewonnen, die eigentlich keine war: In einem langen Rennen um die Nachfolge wählten die Parteimitglieder Kemi Badenoch zur Nachfolgerin von Rishi Sunak an der Spitze der britischen Konservativen. Unter dem ehemaligen Premier und dessen Vorgängerin Elizabeth Truss war die 44jährige Abgeordnete Handelsministerin und leitete das Ressort für Frauen und Gleichberechtigung. Insgesamt sechs Kandidatinnen und Kandidaten hatten bei der Ende Juli begonnenen Abstimmung ihren Hut in den Ring geworfen. Die durch die Wahlniederlage am 5. Juli auf 121 Mitglieder geschrumpfte konservative Parlamentsfraktion wählte so lange, bis am Ende mit Badenoch und Robert Jenrick zwei Kandidaten übrigblieben.
Lange Zeit galt der ehemalige Innenminister und in der politischen Mitte verortete James Cleverly als Favorit. Doch kurz vor dem Ende kam die Überraschung: Cleverly, der zuvor deutlich bei den Abstimmungen gewonnen hatte, schied in der vorletzten Runde knapp aus. Einige seiner Gefolgsleute dürften aus taktischen Gründen für den Außenseiter Jenrick gestimmt haben. Sie hatten falsch taktiert. Übrig blieben Badenoch und Jenrick, beide vom rechtskonservativen Rand der Tories. In der letzten Runde hatten die Mitglieder das Sagen: 53.806 Stimmen gingen an Badenoch. Rund 12.400 mehr als an Jenrick, womit sich die Favoritin dieser Runde mit 56,5 Prozent zu 43,5 Prozent durchsetzte. Badenoch hat einen langen Weg vor sich, ihre Partei von sich zu überzeugen, denn, wie Sky News kommentierte: Die Wahlbeteiligung war sehr gering, und der Abstand der beiden Kandidaten kleiner als erwartet.
In ihrer ersten Reaktion sagte sie, es sei »eine Ehre und ein Privileg, zur Vorsitzenden unserer großartigen Konservativen Partei gewählt worden zu sein«. Sie bedankte sich bei ihrem Kontrahenten und fügte hinzu, dass sie ihn in die zukünftige Arbeit einbinden möchte: »Ich habe keinen Zweifel, dass er in den kommenden Jahren eine Schlüsselrolle in unserer Partei spielen wird.« Eine derartige Rolle will Jenrick vorerst nicht einnehmen. Er kündigte am Sonntag an, nicht an vorderster Reihe unter Badenoch arbeiten, sondern einfacher konservativer Parlamentarier bleiben zu wollen. Womöglich hofft er, dass Badenoch scheitern könnte wie ihre Vorgänger David Cameron, Theresa May, Boris Johnson, Truss und Sunak und er an die Spitze der Tory-Partei rücken könnte.
Doch nun bricht erst einmal ihre Ära an: Zurück zu konservativen Grundwerten – das war Badenochs Tenor im Wahlkampf, Begrenzung von Migration inklusive. Kritik erntete sie etwa mit der Aussage, dass »nicht alle Kulturen gleichwertig« seien. Nun erklärte sie in ihrer ersten Rede als Parteivorsitzende: »Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist schwierig, aber einfach. Unsere erste Aufgabe als loyale Opposition Seiner Majestät ist es, diese Labour-Regierung zur Rechenschaft zu ziehen.« Scharf kritisierte sie das am Mittwoch von den Sozialdemokraten vorgestellte Budget, denn ihre Wirtschaftspolitik orientiert sich an der Hochblüte des Neoliberalismus in den 1980ern unter der damaligen Regierungschefin Margaret Thatcher: ungezügelte Marktwirtschaft und niedrige Steuern. Ihr politischer Stil ist sehr direkt und konfrontativ. Nicht nur aufgrund ihrer Wirtschaftsphilosophie wird sie von einigen britischen Medien bereits als »neue Eiserne Lady« bezeichnet – in Anlehnung an den Namen, den Medien damals Thatcher gaben.
Aber auch der Premier gratulierte Badenoch. Die erste schwarze Vorsitzende einer Parlamentspartei sei ein »stolzer Moment für unser Land«, so Labour-Chef Keir Starmer, dessen Partei sich in einer immer tieferen Krise befindet. Seit den rassistischen Ausschreitungen Anfang August in ganz England sinkt seine Zustimmung unaufhaltsam. In einer aktuellen Umfrage von BMG Research ist Labour mit 28 Prozent hinter die Konservativen mit 29 Prozent zurückgefallen – für Labour ein Minus von 15 Prozentpunkten seit Mai. Laut einer Umfrage von Yougov unterstützen nur noch 14 Prozent die Politik der Regierung, 63 Prozent lehnen sie ab.
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