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Aus: Ausgabe vom 04.11.2024, Seite 8 / Inland
Asylsuchende unter Druck

»Die Kürzungen sind erniedrigend«

Über Sozialleistungen für Asylsuchende und Engagement an der Seite von Geflüchteten. Ein Gespräch mit Johanna Böhm
Interview: Gitta Düperthal
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Schon jetzt liegen die Leistungen für Asylsuchende unter dem Existenzminimum

Ab 2025 erhalten Asylsuchende in Deutschland weniger Geld. Alleinstehende bekommen demnach künftig 441 Euro im Monat, statt wie bisher 460 Euro. Für Paare, die in einer gemeinsamen Wohnung leben, oder Asylsuchende in Unterkünften sinkt der Betrag um 16 Euro auf 397 Euro. Welche Folgen hat das für die Betroffenen?

Diese Kürzung von fast 20 Euro monatlich mag sich zunächst nach nicht sehr viel anhören. Allerdings sind die Leistungen für Asylsuchende schon jetzt geringer als das Existenzminimum. Im Vergleich dazu erhalten Bürgergeldbezieher monatlich immerhin 563 Euro. Die Sozialleistungen setzen sich aus »physischen« und dem »soziokulturellen Existenzminimum« zusammen. Es geht also um einen Betrag, den man benötigt, um in der deutschen Gesellschaft einigermaßen würdig überleben und an ihr teilhaben zu können. Die Kürzungen sind erniedrigend und mental belastend. Dazu kommt: Es ist nicht die einzige Verschlechterung, die Geflüchtete in der letzten Zeit hinnehmen müssen.

Welche Verschlechterungen gibt es noch?

Anfang 2024 wurde der Zeitraum verlängert, in dem Personen während eines Asylantragsverfahrens oder der Duldung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten und kein Bürgergeld oder Sozialhilfe beantragen können. Zuvor waren es 18 Monate, jetzt sind es 36. Das bedeutet, erst nach der Aufenthaltsdauer von drei Jahren gilt der Anspruch auf sogenannte Analogleistungen, die auch uneingeschränkten Zugang zur Krankenkasse beinhalten. Mit dem verabschiedeten »Sicherheitspaket« gibt es eine weitere Verschlechterung für Asylsuchende: Geflüchteten, für deren Asylantrag ein anderer EU-Staat zuständig ist, sollen alle Leistungen gestrichen werden. Ein anderes Beispiel: In einigen Regionen gibt es die Bezahlkarte für Geflüchtete, in anderen steht deren Einführung bevor. In Bayern können bereits jetzt nur 50 Euro Bargeld im Monat abgehoben werde. An Orten, wo keine Kreditkartenzahlung möglich ist, können Geflüchtete schlicht nicht einkaufen.

Wie sollen die Asylsuchenden diese komplexen Regelungen verstehen?

Selbst Beratungsstellen tun sich schwer, im Detail durchzublicken. Viele der Betroffenen sind verzweifelt und fühlen sich ohnmächtig demgegenüber, was die vom Gesetzgeber in rasantem Tempo beschlossenen Entscheidungen in ihrem Alltag auslösen. Sie kommen kaum hinterher, verstehen oft den Sinn der Maßnahmen nicht. Viele würden gern arbeiten, dürfen es aber nicht. Zugleich werden ihnen Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe gestrichen. Die Menschen werden nahezu ausgehungert, haben ihre eigenen Geschicke nicht mehr in der Hand und können nichts daran ändern. Dadurch intensivieren sich Existenznot und Zukunftsängste. Auch das feindliche gesellschaftliche Klima wird wahrgenommen. Viele haben das Gefühl, in Deutschland unerwünscht zu sein. Sie können sich hier kein Leben aufbauen, aber auch nicht in ihr Herkunftsland zurück. Ihre Lage erscheint ihnen ausweglos.

Wie könnte den Verschärfungen begegnet werden?

Wir hoffen, dass der Protest gegen die Kürzungen aus Teilen der kritischen Zivilgesellschaft anwächst – und auch seitens der Betroffenen. Für sie ist das aber besonders schwer. Sie wissen nicht, wie sie öffentlich demonstrieren können, ohne dass sich das etwa negativ auf den Ausgang ihres Asylverfahrens oder Aufenthaltsstatus auswirken könnte. Es gibt aber auch Mut machende Proteste: Die Initiative Migrantifa Nürnberg zum Beispiel plant für diesen Montag eine Kundgebung unter dem Motto »Ausländeramt macht Ausländer krank.« Auch bilden sich momentan Initiativen, die der Bezahlkarte entgegenwirken, indem sie Geflüchteten Bargeld im Gegenzug für die Gutscheine geben. Das ist eine von vielen Möglichkeiten, sich zu engagieren.

Was bedeuten die Kürzungen für Unterstützer und Helfer?

Wir sind wütend, zugleich spüren wir Ohnmacht. Gerade hat man gegen eine Verschärfung protestiert, schon steht die nächste bevor. Aber uns ist bewusst, dass wir noch aktiver werden müssen als bisher.

Johanna Böhm ist Mitarbeiterin beim Bayerischen Flüchtlingsrat

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