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Aus: Ausgabe vom 05.11.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Nordkorea

Tiefe Einblicke einer verkannten Zeugin

Luise Rinsers Reisetagebücher aus Nordkorea sind eine wertvolle Quelle über das unbekannte Land
Von Martin Weiser, Seoul
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Wurde wegen ihres Nordkorea-Tagebuchs angefeindet: Die Schriftstellerin Luise Rinser (1987)

Die 2002 verstorbene Schriftstellerin Luise Rinser ist auch auf der Koreanischen Halbinsel bekannt geworden. Wegen ihres Reiseberichts über Nordkorea, der 1981 erschien und 1983 stark erweitert wurde, wurde sie dann für einige wenige zur Galionsfigur, während andere sie seitdem als fanatische Verehrerin von Kim Il Sung abgestempelt haben. Selbst José Sánchez und ihr eigener Sohn, die 2011 ihre Biographie rausbrachten, wollten an diesem Engagement für ein besseres Verständnis der Demokratischen Volksrepublik Korea kein gutes Haar lassen. Dabei war Rinser insgesamt elfmal zwischen 1980 und 1992 nach Nordkorea aufgebrochen, auch um Gerüchte über brutalste Menschenrechtsverbrechen aufzuklären. Nur um dann verblüfft festzustellen, dass man in Europa und anderswo mehr an antinordkoreanischer Propaganda interessiert ist als an Fakten.

Amnesty International weigerte sich mehrfach, eine persönliche Einladung von Kim Il Sung anzunehmen, selbst als Luise Rinser in einem langen Brief quasi darum bettelte, doch einfach mal hinzufliegen und zumindest wie sie selbst mit dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt zu reden. Schließlich durfte sie nicht nur ihn befragen, sondern ihrem Reisetagebuch zufolge auch als erster Ausländer überhaupt eine nordkoreanische Haftanstalt besuchen. Das war laut ihrem Bericht ein »Umerziehungshaus« ohne Mauern und Türschlösser auf dem Land, in dem man für leichte Vergehen landet und nicht länger als ein Jahr absitzen muss.

Während Bücher von Leuten, die Nordkorea nur wenige Tage als Tourist gesehen haben, in mehrere Sprachen übersetzt werden, ist Luise Rinsers Reisetagebuch bisher nur auf deutsch und in koreanischer Übersetzung erschienen. Das ursprüngliche Reisetagebuch von 1981 deckte nur die erste Reise von 1980 ab und war inhaltlich noch nicht so beeindruckend. Die nächsten zwei Reisen, deren Beschreibung in der erweiterten Fassung seit 1983 zu finden ist, lieferten dann aber viele wichtige Informationen. Nur ist das anscheinend nicht vielen bekannt. In Südkorea erschienen 1988 sogar unabhängig voneinander zwei Übersetzungen des Reisetagebuchs, einer der beiden Verlage wusste anscheinend nur von der kurzen Version von 1981.

Das geringe Interesse an Rinsers Nordkorea-Reisen ist überraschend, da doch sonst kein ausländischer Freund von Kim Il Sung mit tiefen Einblicken ins Land Bücher darüber verfasst hat. In seinen »Gesammelten Werken« liest man sogar, dass er Rinser als Familienmitglied betrachtet habe und ihr damit wahrscheinlich alle Türen offenstanden. Sogar für seinen Sohn Kim Jong Il war Rinser ein Bezugspunkt bei seinen Versuchen, die Menschenrechtslage zu verbessern und das der Welt auch zu zeigen. Bereits 1997 erschienen Auszüge seines Gesprächs mit hohen Funktionären des Zentralkomitees seiner Partei im Januar 1990, in dem er betonte, wie wichtig es sei, Menschenrechtskritiker ins Land einzuladen – unter Verweis auf Luise Rinser.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (5. November 2024 um 16:13 Uhr)
    Die Abschottung Nord-Koreas ist nicht nur das Resultat der Feinde, sondern z.T. auch selbst von den dort Herrschenden gewählt - das begann bereits zu Zeiten unserer DDR. So entstehen dann Gerüchte und Unwahrheiten kommen zum Tragen. Zu oft wiederholt die Linke (Nicht die Partei) den Fehler, Unliebsames zu vertuschen bzw. totzuschweigen. Das endet dann so wie 1990/91 in der DDR bzw. der UdSSR - oder aber mit »Säuberungen« von unliebsamen Kritikern aus der eigenen Partei.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Dieter K. aus Heidelberg (5. November 2024 um 13:35 Uhr)
    Luise Rinser: Nordkoreanisches Reisetagebuch Luise Rinsers hatte die besondere Gabe eines unbestechlichen Blicks, Vorurteile auf Länder und Menschen zu kritisieren, die durch jahrzehntelange Feinbildpflege in der öffentlichen Paranoia versteinert sind. In dem Buch Grenzübergänge, im Jahre 1972 erschienen, demonstriert sie diese Begabung an den Beispielen der Länder Polen und der Sowjet-Union sowie im Blick ins innere der BRD, z.B. an Gudrun Ensslin und Andreas Baader, als diese noch friedliche Sozialarbeiter in FfM waren; nur um ein besonders prägnantes Beispiel zu nennen. Auch hier war ihr Anliegen Versöhnung statt gesteigerter Feindbildpflege, die in rasender Verblendung zur Eskalation führt. Natürlich habe ich mir das Nordkoreanische Reisetagebuch sofort bestellt. Antiquarisch ist es noch erhältlich. Vielen Dank für den Literaturhinweis. Dieter Kaufmann

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