Wissing macht immobil
Von Ralf WurzbacherMehr Menschen und Güter auf die Schiene! So lautet das ausgegebene Ziel der Bundesregierung. Doch gleich mehrere Bundesländer sind offenbar im Begriff, ihr Angebot im Regionalverkehr zurückzufahren beziehungsweise von vorgesehenen Mehrkapazitäten wieder Abstand zu nehmen. Das berichtete am Montag dpa unter Berufung auf den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Ursache des Schrumpfkurses sind demnach steigende Betriebs- und Personalkosten und die fehlende Bereitschaft der Ampel, ihre verkehrs- und klimapolitischen Versprechen mit Leben zu füllen.
Beschlossene Sache sind Kürzungen in Schleswig-Holstein. Schon im August hatte Landesverkehrsminister Claus Ruhe Madsen Beschränkungen im Umfang von 1,5 Prozent der Verbindungen, zunächst nur in Randzeiten, für das anstehende Jahr verkündet. Die Abbestellungen blieben »schmerzhaft und sind sicher nicht das Signal, das wir senden wollen«, bemerkte seinerzeit der CDU-Politiker und wies mit dem Finger nach Berlin. »Da der Bund uns hier weiter allein lässt und nun auch noch eine deutliche Erhöhung der Trassenpreise anstrebt, haben wir leider keine andere Wahl.« Anderorts drohen ebenfalls Einschnitte. »Niedersachsen hat eine Prüfung angekündigt, und nach unserem Kenntnisstand drohen Abbestellungen auch in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen«, teilte der VDV mit. Dabei bezögen sich die Pläne jeweils auf den Fahrplanwechsel im Dezember 2025, also aufs nächste Jahr.
Abwenden könnte die Ampel die Einschnitte mit einer kräftigen Zugabe bei den sogenannten Regionalisierungsmitteln, mit denen der Bund die Länder unterstützt. Um den Posten wird seit Jahren erbittert gefeilscht, insbesondere mit Blick auf die Finanzierung des Deutschlandtickets. Die Offerte hat tatsächlich mehr Menschen zum Bahnfahren ermuntert. Allerdings decken die Einnahmen die Kosten nicht, weshalb der Tarif ab 1. Januar von 49 Euro auf 58 Euro angehoben wird. Die entsprechende Einigung der Länder vor einem Monat ist indes wieder nur eine Lösung auf Zeit. Ob und wie es 2026 weitergeht, steht in den Sternen. In der Vorwoche erst hatte der oberbayerische Landkreis Rosenheim mit einem Ausstieg aus dem D-Ticket für den Fall weiterer Belastungen gedroht.
Die zeichnen sich bereits beim laufenden Gerangel der Koalition um den Bundesetat 2025 ab. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will von einer zugesagten Finanzspritze in Höhe von 1,5 Milliarden Euro mal eben 350 Millionen Euro als »haushaltskonsolidierende Maßnahme« zurückhalten. Wie sein Ministerium auf eine Anfrage des Linke-Bundestagsabgeordneten Victor Perli vor zehn Tagen erklärte, berge dies »keine unzumutbaren Risiken« und seien die Auswirkungen für die Aufgabenträger bei Ländern und Kommunen »allenfalls von begrenztem Umfang«. Perli widerspricht dem. »Viele Unternehmen stehen jetzt schon finanziell mit dem Rücken an der Wand«, befand er am Montag gegenüber junge Welt. »Ich habe keinerlei Verständnis, dass SPD und Grüne tatenlos zusehen, wie der Verkehrsminister den öffentlichen Nahverkehr schwächt.«
Laut VDV haben die Ausgaben fürs Personal allein zwischen 2019 und 2021 um 13 Prozent zugelegt, die für Instandhaltung, Betriebsstoffe und Energie sogar um fast 40 Prozent. Bei den anhaltend hohen Preisen seit der »Zeitenwende« werden die Lasten künftig noch größer werden. Zwar sollen die Zuschüsse des Bundes jährlich um drei Prozent wachsen, »doch die tatsächlichen Kostensteigerungen liegen deutlich darüber«, gibt der Verband zu bedenken. Aus Sicht der Branche müssten die Regionalisierungsmittel alle Jahre um rund drei Milliarden Euro aufgestockt werden, um allein das bestehende Angebot zu sichern. Carl Waßmuth, Sprecher beim Bündnis »Bahn für alle«, wirft dem Minister vorsätzliches Versagen vor. Millionen Menschen zwängten sich in übervolle Busse und Bahnen, aber »Wissing will diesen Geist der Verkehrswende wohl am liebsten wieder in die Flasche, also ins Auto kriegen«, bemerkte er am Montag im jW-Gespräch. »Dafür kürzt er die nötigen Mittel für den Nahverkehr solange runter, bis Angebote wegfallen. Man darf fragen, warum.«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (4. November 2024 um 20:08 Uhr)Die im angeblichen oberbayerischen Landkreis RosenBURG Betroffenen sind woanders daHEIM: Im Landkreis RosenHEIM. Dass er so schön ist, ändert nichts an der Sauerei, zu der der Kreis gezwungen sein wird, weil sein Geld anderswo dringender »gebraucht« wird. Wo genau? Anton Hofreiter fragen. Den mit den Granaten statt der Diplomaten. Und der Busse und Bahnen.
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