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Aus: Ausgabe vom 05.11.2024, Seite 6 / Ausland
Nahostkonflikt

Berner Grabenkämpfe

UNRWA: Schweizer Politik zwischen Israel- und Palästina-Solidarität
Von Kim Nowak
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Die Hunderttausenden von Palästinensern in Gaza sind auf die Hilfspakete der UNRWA dringend angewiesen (Deir Al-Balah, 4.11.2024)

Auch in der Schweiz schlägt das Vorgehen Israels gegen das Palästina-Hilfswerk UNRWA Wellen. Denn ab dem kommenden Jahr soll jegliche Arbeit der UN-Behörde auf israelischem Boden verboten sein, wie die Knesset entschieden hat. Dass Israel das Völkerrecht auch mit diesem Schritt ignoriert, verwundert nicht: So soll das Gesetz auch in Ostjerusalem sowie den besetzten Gebieten Gaza und Westjordanland gelten. Die Begründung dafür ist wie immer: Das Hilfswerk sei eine Brutstätte des »islamistischen Terrorismus«, konkret der Hamas. Für die Alpenrepublik ist diese Entwicklung nicht nur eine innerschweizer Gelegenheit, sondern auch eine internationale, denn Bern ist bis Ende des Jahres Mitglied im UN-Sicherheitsrat und hatte im Oktober in ihm den Vorsitz.

Die Haltung der Schweiz zur UNRWA war schon immer ambivalent. Zwar erkennt sie die Notwendigkeit an, die Palästinenser zu unterstützen. Andererseits war sie der UNRWA schon in der Vergangenheit mit Skepsis begegnet. So hatte der seit 2017 amtierende Bundesaußenminister Ignazio Cassis (FDP) bereits 2018 die Frage gestellt, ob das Hilfswerk »ein Teil des Problems« geworden sei. Seine Äußerungen sorgten damals für Aufsehen, da zu der Zeit der Schweizer Diplomat Pierre Krähenbühl den UNRWA-Vorsitz innehatte. 2019 stellte Bern die Zahlungen an das Hilfswerk vorübergehend ein. Grund dafür war der gegen Krähenbühl erhobene Vorwurf des »Missmanagements«, Nepotismus sowie sexuellen Fehlverhaltens. Der Diplomat legte sein Amt daraufhin nieder. Dass in den folgenden Jahren auch »antisemitisches« Schulmaterial an UNRWA-Schulen ans Licht kam, komplizierte die Beziehung weiter. Damals forderte die rechte Schweizerische Volkspartei (SVP), dass Zahlungen erst dann genehmigt werden dürften, wenn zuvor die Schulbücher kontrolliert würden.

Dass Cassis in seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat vergangene Woche das Verbot der UNRWA jedoch kritisierte, ist seiner diplomatischen Rolle, die er einnimmt, geschuldet. Dort mahnte er Tel Aviv, eine »Alternativlösung« zu finden, sollte der Parlamentsbeschluss durchgesetzt werden. Wie eine solche aussehen könnte, konkretisierte Cassis im Anschluss an die Sicherheitsratssitzung: »Israel hat die Verantwortung für die humanitäre Unterstützung in den besetzten Gebieten.« Mit anderen Worten könnte man auch sagen: Cassis sieht kein Problem darin, die Verantwortung von der UNO hin zu Israel zu verschieben.

Doch wie sieht es in der Alpenrepu­blik selbst aus? Dass die SVP die Schließung begrüßt sowie der Streichung jeglicher Zahlungen offen gegenübersteht, war abzusehen. Während die FDP sowie die christdemokratische »Mitte« noch keine abschließende Meinung haben und laut dem FDP-Ständerat Damian Müller »zusätzliche Informationen« erforderlich seien, scheint es bei den »Linken«, namentlich der Grünen und den Sozialdemokraten (SP), Einigkeit zu geben: Beide stellen sich gegen ein UNRWA-Verbot.

Doch bei der SP trügt der Schein. Diese ist in der Frage zum Krieg in Gaza generell zerstritten. So gibt es sowohl einen starken palästinasolidarischen als auch einen starken israelsolidarischen Flügel. Die Grabenkämpfe waren Anfang Oktober wieder entfacht worden, als die Jugendorganisation Jusos eine Resolution verabschiedete, in der sie sich der Israel-Boykottkampagne BDS anschloss. Während der sozialdemokratische Ständerat Carlos Sommaruga von einem »Genozid« in Gaza spricht, bei dem die Schweiz zur Komplizin würde, sollten die Zahlungen an die UNRWA gestrichen werden, stößt Daniel Jositsch in ein gegensätzliches Horn. Der Vertreter des rechten Flügels in der SP wirft dem Hilfswerk eine »antisemitische Tendenz« vor. Den Vorwurf der Jusos Zürich, Jositsch verteidige den »Genozid« in Gaza, kommentierte dieser am Freitag gegenüber Tele Züri: »Wir im Parlament haben eine sachliche Position.« Übersetzt heißt das: Dass Israel das Hilfswerk auf eigenem Territorium sowie in den besetzten Gebieten verbieten lässt, ohne eine Anschlusslösung anzubieten, sei »sachlich« gerechtfertigt.

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