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Aus: Ausgabe vom 05.11.2024, Seite 8 / Ansichten

Bewährtes Rezept

Wahlsieg in Moldau mit Auslandsstimmen
Von Reinhard Lauterbach
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In Moldau selbst hatte alles seine Richtigkeit: Wahllokal in der Hauptstadt Chișinău (3.11.2024)

Und wieder einmal hat eine Minderheit das Wahlergebnis in Moldau gedreht: Einwohner, die das Land seit Jahren als Arbeitsmigranten verlassen haben. Allerdings nur die einen: diejenigen, die sich eine neue Existenz – oder was man landläufig so nennt – in der EU aufgebaut haben. Sie haben gemäß ihren sozialen Lebensumständen mit großer Mehrheit dafür gestimmt, die Annäherung Moldaus an die EU in die Verfassung des Landes aufzunehmen, und jetzt für Maia Sandu votiert, die das verspricht. Das ist aus ihrer Perspektive logisch: Wenn sie irgendwann dann einmal mit dem Federstrich des Beitritts zu EU-Bürgern gemacht werden, wird es für sie auch leichter, aus dem Status des Arbeitsparias minderen Rechts herauszukommen.

Den anderen, ungefähr ebenso vielen, die ihr Einkommen in Russland verdienen und womöglich aus denselben Motiven wie die Westemigranten andersherum abgestimmt hätten, wurde es deutlich schwerer gemacht, ihre Stimme abzugeben. In der EU hatte die Sandu-Administration 230 Wahllokale eingerichtet, in ganz Russland zwei, und die beide auf dem Gelände der moldauischen Botschaft in Moskau. Angeblich aus Sicherheitsgründen. Sandu hat die alte sowjetische Weisheit, es sei nicht wichtig, wer abstimme, sondern wer auszähle, variiert: Wichtig war bei dieser Wahl, wer die Gelegenheit zur Abstimmung bekam und wem dies maximal erschwert wurde.

Das war keine direkte Wahlfälschung, aber eine Manipulation war es schon. Es gibt auch einen Fachausdruck dafür: Gerrymandering, erfunden im 19. Jahrhundert in den USA und dort bis zum heutigen Tag ein beliebtes Verfahren, Leute an der Stimmabgabe zu hindern, von denen es Grund zu der Angabe gibt, dass sie sowieso im Sinne der jeweils Herrschenden »falsch« wählen würden. Man schneidet einfach die Wahlkreise entsprechend zu. In Deutschland ist das im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 auch gemacht worden, um die Chancen der PDS auf Direktmandate zu mindern. Wichtig ist halt doch, wer auszählt.

Maia Sandu kann damit zwar einerseits sagen: Aufgabe erfüllt. Andererseits muss sie aber zur Kenntnis nehmen, dass ihr Ergebnis schlechter war als vor vier Jahren und das ihres Hauptgegners, des Sozialisten Alexander Stojanoglu, besser als das des damaligen Rivalen. Ganz abgesehen von dem hauchdünnen Ja beim EU-Referendum vor zwei Wochen, das ebenfalls von den Stimmen der Migranten in der EU entschieden wurde und im Lande selbst nicht durchgegangen wäre. Ganz abgesehen von juristischen Feinheiten, dass für eine Verfassungsänderung – wie sie die Aufnahme des EU-Kurses in das Grundgesetz ist – laut ebendieser Verfassung eine Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen wäre und keine matten 50,46 Prozent. Vielleicht sollte Sandu im Sinne von Brechts ironischem Ratschlag doch lieber das Volk auflösen und ein neues wählen.

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