Orangenbauern in Not
Von Carmela NegreteNoch ist es zu früh, um das genaue Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden in der Provinz Valencia beziffern zu können: Viele Firmen waren bisher noch nicht in der Lage, den Schaden ihres Betriebs zu begutachten, zumal der Starkregen noch nicht vorüber ist. Die ganze Woche gab es weitere Überschwemmungen. Am Montag wurde erneut die höchste Warnstufe in mehreren Orten ausgerufen, darunter in bereits betroffenen Gebieten in Valencia, aber auch in Almería und in Katalonien.
Laut einem Bericht der Handelskammer von Valencia sind rund 4.500 Geschäfte, Gastronomiebetriebe und Dienstleister beschädigt, rund 1.600 davon komplett. Etliche Fabriken in der Metall- und Holzindustrie wurden von der Wucht des Wassers zerstört. Dem Report zufolge leben in den am stärksten betroffenen Gebieten rund 850.000 Menschen, ein Drittel der Bevölkerung in der Provinz Valencia.
Valencia gilt für das Ausland als »Orangenhauptstadt«, da in der Region jährlich mehr als 2,5 Millionen Tonnen der Zitrusfrucht produziert werden. Nun ist mit Beginn der Ernte noch völlig offen, wie viele Plantagen unter Wasser stehen, wie hoch der Schaden sein wird und in welchem Maße folglich die Preise erhöht werden. Der Bauernverein Asaja geht von mehreren hundert Millionen Euro Schaden durch Ernteverluste aus. Problematisch bleibt auch der Transport aus Gegenden, in denen Obst und Gemüse gerettet werden konnten: Tausende Lkw können zurzeit die überfluteten und unterspülten Straßen nicht befahren.
Das Verkehrsweg- und Verkehrsmittelproblem betrifft alle; etliche haben ihre Autos verloren. Am Freitag hatte die Generaldirektion für Verkehr (DGT) rund tausend Autos gezählt, die einen Totalschaden erlitten hatten und bereits geräumt wurden. Doch bis Montag befanden sich nach Augenzeugenberichten in Social-Media-Kanälen viele Wagen immer noch auf den Straßen und versperrten die Wege. So bleiben Betroffenen kaum Alternativen, um zur Arbeit zu gelangen, denn in vielen Orten sind die Straßen noch immer unpassierbar, wodurch auch der öffentliche Nahverkehr mit Bussen ausfällt.
Die »neue Normalität« des Klimawandels bringt eine Häufung von Naturkatastrophen mit sich, die sich in der Bilanz niederschlagen. 2021 hatten Schneemassen des Sturms »Filomena« Madrid fast eine Woche lang unter sich begraben. Die damaligen wirtschaftlichen Verluste wurden vom Risikomanagementunternehmen Aon auf 1,157 Milliarden Euro beziffert. 2019 verursachte die bis dahin schwerste Hochwasserkatastrophe im Süden von Alicante Kosten in Höhe von 1,319 Milliarden Euro.
Die diesjährige Katastrophe ist schlimmer: Der spanische Premierminister Pedro Sánchez sagte am Samstag auf einer Pressekonferenz: »Mit nahezu absoluter Sicherheit sprechen wir von der schwersten Überschwemmung, die unser Kontinent im bisherigen Verlauf dieses Jahrhunderts erlebt hat.« Das Hochwasser hat weite Teile der Provinzen Valencia und Castellón erfasst und dort rund 70 Städte stark beschädigt. Dutzende Ortschaften in den Provinzen Almería, Málaga, Cádiz, Albacete oder Teruel wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Und dennoch will die Regierung erst am heutigen Dienstag auf der anstehenden Sitzung des Ministerrats viele Orte zu »schwer betroffenen Gebieten« erklären. Der linken Opposition von Podemos ist das zu wenig – sie fordert die Ausrufung eines nationalen Notstands.
Die Koalitionsregierung hält dagegen. Ein solches Vorgehen impliziere, dass sich alles von Madrid aus kontrollieren ließe und nicht von Valencia aus, wo man besser Bescheid wisse, was in der eigenen Region zu tun sei. Die dortige von der konservativen Volkspartei (PP) geführte Regionalregierung bezichtigt den Sozialdemokraten Sánchez der mangelnden Hilfeleistung, umgekehrt beschuldigt die Zentralregierung die PP. Jedenfalls ist offensichtlich, dass zu wenig Hilfe vor Ort ist. Dieser Umstand hat inzwischen zu Tumulten und Attacken auf das Königspaar geführt, das am Sonntag zusammen mit Sánchez und Carlos Mazon, dem Präsidenten der Region Valencia, besonders betroffenen Orten einen Besuch abgestattet hatte. Die Unzufriedenheit, die Zentral- wie Regionalregierung noch vor Herausforderungen stellen wird, ist das eine. Die Reaktion der Finanzmärkte, die den Wiederaufbau in der Region und die Erholung der Wirtschaft zusätzlich erschweren könnte, das andere.
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