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Aus: Ausgabe vom 06.11.2024, Seite 8 / Ausland
Repression in der Türkei

»Man signalisiert Kurden so, dass sie keine Rechte haben«

In der Türkei werden erneut Bürgermeister abgesetzt und durch Zwangsverwalter ersetzt. Ein Gespräch mit Leyla Imret
Interview: Gitta Düperthal
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Anhänger der DEM-Partei bei einer Kundgebung in Diyarbakır (21.3.2024)

Die türkische Regierung hat die gewählte Bürgermeisterin von Batman und ihre Amtskollegen von Mardin und Halfeti durch Zwangsverwalter ersetzt. Wie kam es dazu, dass Hunderttausenden im Südosten der Türkei so ihre Wählerstimme geraubt wurde?

Es ist eine antikurdische, rassistische Praxis. Die türkische AKP-Regierung begann 2016 mit dieser Politik der Repression und Entrechtung. Damals im November wurde der Kovorsitzende Selahattin Demirtaş der HDP verhaftet, der bei der Präsidentschaftswahl 2014 gegen Recep Tayyip Erdoğan antrat. Gemäß eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 2020 ist Demirtaş politisch inhaftiert und sofort freizulassen. Die Türkei aber hält ihn weiter unrechtmäßig gefangen, wie auch weitere Abgeordnete, etwa die damalige Kovorsitzende Figen Yüksekdağ. Das Regime hatte einen begonnenen Friedensdialog in Kriegspolitik gegen die Kurdinnen und Kurden transformiert. Seither wurden in Kommunen immer wieder demokratisch gewählte kurdische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister durch Zwangsverwalter ersetzt. Ich war eine der ersten Bürgermeisterinnen, mit denen man so verfuhr. Man signalisiert Kurdinnen und Kurden so, dass sie keinerlei Rechte haben: weder das zu wählen noch sich wählen zu lassen.

Wie geht die türkische Regierung vor?

Zunächst akzeptierte man nicht, dass wir von der DEM-Partei stets eine Doppelspitze aufstellen, eine Frau und einen Mann. Also gibt es offiziell nur eine Person im Amt, eine zweite aus dem Stadtrat steht ihr zur Seite. Ahmet Türk, Kobürgermeister von Mardin, wurde bei Kommunalwahlen schon dreimal gewählt und nach gewonnener Wahl stets wieder abgesetzt. Er steht für Frieden, Freiheit und Dialog. Die gewählte Kobürgermeisterin, Gülistan Sönük, engagiert sich für Frauenrechte. Trotz der AKP-Propaganda gegen Frauenbefreiung – etwa: die Frauenrolle sei es nicht, öffentliche Ämter anzustreben – hatte sie für die DEM-Partei gewonnen. Unter dem Deckmantel angeblichen Terrorverdachts wirft das Regime nun die Bürgermeisterin und ihre beiden Amtskollegen nach ihren Wahlerfolgen aus dem Rathaus.

Dabei hatten die Zeichen in der Türkei zuletzt auf Entspannung gestanden, oder?

Die vermeintliche Friedensdebatte hat die Regierung aus meiner Sicht nur aus dem Boden gestampft, weil sie sich in einer tiefen Krise befindet. Nach ihrer Niederlage bei den Kommunalwahlen befürchtet sie, die Macht zu verlieren, und hofft auf kurdische Stimmen. Zugleich aber lehnt Devlet Bahçeli, stellvertretender Ministerpräsident der MHP, einen Waffenstillstand ab, die Bombardierungen auf zivile Einrichtungen der Kurdinnen und Kurden in Nordostsyrien gehen weiter. Die Isolationshaft von Abdullah Öcalan will er nicht aufheben. In der vergangenen Woche wurde der Bezirksbürgermeister der kemalistischen Oppositionspartei CHP Ahmet Özer von Esenyurt westlich von Istanbul abgesetzt und durch einen Zwangsverwalter ersetzt, auch ein Kurde. Die Menschen fühlen sich vom AKP/MHP-Regime betrogen. Sie fordern seit Montag lautstark auf der Straße, dass die gewählten Vertreterinnen und Vertreter wieder ins Amt kommen.

Was setzen die Zwangsverwalter durch, wenn sie im Amt sind?

Sie stoppen von uns ins Leben gerufene Sozial-, Kultur- und Bildungsprojekte, etwa für Frauenrechte oder mehrsprachigen Schulunterricht. Nur Türkisch darf gelehrt werden. Sie verschulden die kommunalen Haushalte der kurdischen Orte, ziehen das Geld raus.

Erhalten Sie Unterstützung?

Wir fordern, dass sich die internationale Gemeinschaft mit Kurdinnen und Kurden in der Türkei solidarisiert, damit die Regierung die Menschenrechte achtet. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock betont die werteorientierte Politik und spricht von feministischer Frauenpolitik. Dazu passt jedoch nicht ihr Schweigen nach den Angriffen gegen unsere Grundwerte von Freiheit und Selbstbestimmung. Wir kritisieren die enge Beziehung Deutschlands zur Türkei und das Liefern von Waffen an die Türkei, die gegen uns eingesetzt werden.

Leyla Imret ist Vertreterin der Partei DEM in Deutschland und ehemalige Bürgermeisterin von Cizre. Seit 2017 lebt sie im Exil.

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