Autoland abgebrannt
Von Daniel BratanovicDer Hiobsbotschaften kein Ende. Der Gewinn der Automarke Audi bricht um mehr als 90 Prozent ein, der Zulieferer Schaeffler kündigt die Vernichtung von 4.700 Jobs an. Es sind die nächsten Symptome einer Krise, die ans Mark geht. Als vor gut zehn Jahren die deutsche Solarbranche vor allem am chinesischen Konkurrenzdruck zerbrach, mochte man hierzulande noch mit den Achseln zucken. Zu gering die gesamtwirtschaftliche Bedeutung.
Wenn nun aber bei hiesigen Produzenten von Kraftfahrzeugen und deren Zulieferern eine schlechte Nachricht die nächste jagt, ist die Angelegenheit von ganz anderem Kaliber. Die Automobilindustrie ist gemessen am Verkaufserlös die größte Branche des verarbeitenden Gewerbes und der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland, der zugleich andere Zweige wesentlich beeinflusst. Ihre Unternehmen machten im Jahr 2023 einen Umsatz von gut 564 Milliarden Euro und beschäftigten direkt knapp 780.000 Lohnabhängige. Sie ist, kurzum, die Schlüsselindustrie der Bundesrepublik. Noch immer wird die volkswirtschaftliche Struktur dieses Landes maßgeblich von der Automobilbranche geprägt und bestimmt. Doch das herrschende Produktionsmodell mitsamt seinen Lohnverhältnissen könnte zur Disposition stehen. Nicht sofort, aber auch schon lange nicht mehr schleichend und unsichtbar.
Auf der Suche nach Gründen für die laufende Misere gelangt die Wirtschaftspresse in aller Regel nur zu simplen Befunden, etwa Fehlentscheidungen des Managements oder schlechte Rahmenbedingungen der aktuellen Regierung. Das mag zutreffend sein oder nicht, solche Betrachtung klebt am Einzelfall und an der Oberfläche, bleibt also ohne Begriff von der Sache. Die der Kapitalakkumulation innewohnende Tendenz zur permanenten Ausdehnung führte Kapital dorthin, wo sich weitaus bessere Produktions- und Renditemöglichkeiten boten, also vor allem nach China. Der Kapitalexport der alten Industrienationen bewirkte mit einer gewissen Verzögerung umgekehrt den Import wettbewerbsfähiger Industrieprodukte von dort. Ganze Schiffsladungen mit chinesischen Elektroautos warten inzwischen auf den Absatz hierzulande, und vieles spricht dafür, dass China mit seinen Überkapazitäten die alten Platzhirsche der Autoproduktion niederkonkurrieren könnte. Das ahnt man auch bei Schaeffler und verweist auf »das herausfordernde Marktumfeld« und »auf die zunehmende globale Wettbewerbsintensität«.
Die deutsche Automobilindustrie – vor allem VW – mit ihrem relativ gutbezahlten Teil der Arbeiterklasse steht repräsentativ für die lange stabil wirkende bundesrepublikanische »Sozialpartnerschaft« zwischen Kapital, Arbeit und Staat. Überakkumulation und globale Konkurrenz stellen sie in Frage. Der Kapitalismus kriegt nicht die Krise, er ist die Krise in Permanenz. Autoland ist abgebrannt.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 07.10.2024
Bumerang für Autobauer
- 11.09.2024
Jobtod am Zukunftsmarkt
- 04.09.2024
Meloni im Clinch mit Stellantis
Regio:
Mehr aus: Ansichten
-
Kulturschützer des Tages: Haussperling
vom 06.11.2024