Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 06.11.2024, Seite 8 / Abgeschrieben

Däubler-Gmelin: Wider die aktuelle »Antisemitismus-Resolution« des Bundestages

2401-israelisforpeace-15-3185.jpg
Israelis für Frieden vor dem Auswärtigen Amt (Berlin, 12.1.2024)

Die ehemalige Bundesjustizministerin und Rechtsanwältin Herta Däubler-Gmelin kritisiert auf der Website der Hilfsorganisation Medico international die geplante »Antisemitismus-Resolution« des Deutschen Bundestages:

(...) Wer Vertrauen fördern will, muss gerade in Zeiten wie diesen eine offene und faire Auseinandersetzung suchen und fördern. Es darf auch nicht geduldet werden, dass im Zuge einseitiger Stellungnahmen ganze Gruppen von Einwanderern in eine falsche Ecke gestellt werden. Und es stünde uns in Deutschland gut an, schwerpunktmäßig unseren eigenen Antisemitismus zu bekämpfen – eine Aufgabe, die nicht nur Medien und Zivilgesellschaft, sondern auch die Politik, insbesondere die Bundesregierung und der Bundestag, übernehmen müssen.

Diametral falsch indes ist das bisherige Vorgehen, das in dieser Woche wohl durch einen Bundestagsbeschluss bekräftigt werden soll. Wer meint, mit einer nur kleinsten abgehobenen Zirkeln bekannten Festlegung durch einen Bundestagsbeschluss Verhalten und Meinung regulieren, ja mit finanziellen Sanktionen die Zivilgesellschaft disziplinieren zu sollen oder auch nur zu können, der tut das Gegenteil. Der sät Wind und wird – wieder einmal – Sturm ernten. Zum Nachteil aller, auch der Wissenschaftsfreiheit und den Teilen der Zivilgesellschaft, die sich für das Ende des Leidens und für eine friedliche Zukunft im Nahen Osten einsetzen. (…)

Ohne die Einbeziehung der gesellschaftlichen Debatte in den parlamentarischen Raum kann der Kampf gegen Antisemitismus nicht erfolgreich sein. Es ist entscheidend, die Vielfalt der Stimmen aus der Zivilgesellschaft zu hören und ihre Anregungen einzubeziehen. Besonders wichtig ist es, auch die Pluralität der jüdischen Stimmen anzuerkennen. (…) Aus Kultur, Wissenschaft, juristischen Fachkreisen und von Menschenrechtsorganisationen kamen viele wichtige Anregungen und ebenfalls massive Kritik. Leider war das alles umsonst – das geht nicht bei einem so wichtigen gesamtgesellschaftlichen Thema.

Hinzu kommen mittlerweile auch kritische Stimmen aus Israel. Kann und will der Bundestag es sich wirklich leisten, über den offenen Aufruf führender israelischer Menschenrechtsorganisationen einfach hinwegzugehen? (…)

Insbesondere die ausschließliche Verwendung der IHRA-Antisemitismusdefinition stößt vielen liberalen Kräften aus der jüdischen Gesellschaft und aus Israel negativ auf. (…) Richtig ist, dass sie zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthält und damit die Gefahr in sich birgt, verhindern zu wollen, was doch notwendig ist: eine auf dem Völkerrecht basierende legitime und notwendige Kritik am Regierungshandeln der Netanjahu-Regierung. Genau das befürchten auch die liberalen Regierungskritiker in Israel. Vor diesem Hintergrund wäre es nötig, vorhandene Alternativen zum Antragstext zu diskutieren. Das ist bisher nicht geschehen. Leider. (…)

Es ist falsch, den – mangels Transparenz bisher öffentlich nicht diskutierten – Antrag jetzt durch den Bundestag zu jagen. Wir brauchen eine Weitung des gesellschaftlichen und politischen Diskurses – keine Verengung. Der eingeschlagene Weg ist falsch. Der Bundestag sollte ihn daher nicht weitergehen, sondern statt dessen die offene Debatte, zum Beispiel mit einer parlamentarischen Anhörung, eröffnen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Deutsche Staatsräson: Unverrückbar an der Seite Israels (Berlin,...
    04.11.2024

    Konsequent repressiv

    Ampelfraktionen einigen sich auf Resolution zum »Kampf gegen Antisemitismus«. Scharfe Kritik aus Zivilgesellschaft
  • Wollen sich ihren Protest gegen den Krieg in Gaza nicht verbiete...
    31.08.2024

    »Nie wieder« für alle

    Appelle gegen geplanten Resolutionsentwurf: Hunderte Unterzeichner fordern Stopp oder Überarbeitung
  • Große Gesten: Die Minister Robert Habeck, Annalena Baerbock, Vol...
    10.11.2023

    Bühne für Bekenntnisse

    Bundestag gedenkt jüdischer Opfer von Naziterror vor 85 Jahren und Hamas-Massaker. Ampel will noch mehr Repression gegen Palästinasolidarität

Regio: