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Aus: Ausgabe vom 06.11.2024, Seite 15 / Antifaschismus
Kickl empfängt Orbán

Schulterschluss in Wien

FPÖ-Chef Kickl empfängt ungarischen Premier Orbán. Unterzeichnung von Erklärung löst Kritik aus
Von Dieter Reinisch, Wien
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Reichen sich die Hand: FPÖ-Chef Kickl und Ungarns Premier Orbán (v. l.) in Wien (31.10.2024)

Entgegen der Gepflogenheit hatte Bundespräsident Alexander van der Bellen (Grüne) nicht dem Vorsitzenden der stimmenstärksten Partei FPÖ den Auftrag zur Regierungsbildung gegeben. Staatsmännisch gibt sich ihr Chef, Herbert Kickl, dennoch. Vergangene Woche empfing er den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán, der in Wien zu Besuch war. Orbán war nicht zu einem Staatsbesuch gekommen, sondern auf Einladung der rechtskonservativen Schweizer Wochenzeitung Weltwoche. Vor rund 500 Zuhörern diskutierte er am Donnerstag in den Sofiensälen mit dem früheren deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) über Krieg, Frieden, die EU und Russland.

Zuvor hatte Orbán das Parlament besucht, wo er den neuen Nationalratspräsidenten, Walter Rosenkranz (FPÖ), traf. Rosenkranz ist schlagender Burschenschafter und bezeichnet sich selbst als »national-freiheitlich«. Der ungarische Premier war der erste Staatsgast beim zweithöchsten Amtsträger der Republik.

In den Sofiensälen war fast die gesamte FPÖ-Spitze anwesend. Höhepunkt des Treffens war die Unterzeichnung eines Papiers mit dem Namen »Wiener Erklärung«. In dem Text bekräftigen »Ungarn und Österreich (…) ihre nachbarschaftliche Freundschaft sowie ihre geschichtlich und kulturell bedingte unerschütterliche Verbundenheit«. Es geht unter anderem um den »abendländischen Charakter unseres Kontinentes«, »illegale Migration« und den »Missbrauch von Asyl«, zudem für die Betonung der Geschlechter Mann und Frau in Abgrenzung der »absurden Vielzahl anderer Geschlechter«, die Kindern durch »linke Erziehungsexperimente« aufoktroyiert würden. Auch zur EU gibt es einen Passus. Brüssel soll an »politischer Bedeutung verlieren«, dafür sollen »direkte Demokratie und Parlamentarismus in den Heimatstaaten gestärkt werden«.

In bezug auf das Thema Frieden wird in der Erklärung mehr Engagement von der EU gefordert. Sie solle sich »als Ort für Verhandlungen anbieten und damit dem ursprünglichen Konzept« als »Friedensunion gerecht werden«, heißt es in dem Text. Damit versucht sich die FPÖ, einst größte Verfechterin einer österreichischen Annäherung an die NATO, als Neutralitätspartei zu präsentieren. Vor allem von Seiten der Sozialdemokratie wird das Thema stiefmütterlich behandelt, was zunehmend zu Unmut an der Parteibasis führt.

Kritik an der bilateralen Vereinbarung kam von mehreren Seiten: Mit der »Wiener Erklärung« bekräftigten der »autokratische, demokratiefeindliche ungarische Premier Viktor Orbán und FPÖ-Chef Kickl heute ihre Zusammenarbeit«. Wenig überraschend reihten die »paar Absätze dieses Papiers ziemlich uninspiriert die Klassiker des Rechtsaußen-Kulturkampfs im Stil Trumps aneinander«, so SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner in einer Mitteilung. Kickls Unterzeichnung der Erklärung im Namen Österreichs »kommt einer politischen Amtsanmaßung gleich«, wird ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zitiert.

Ernst Wolrab (KPÖ) nannte die Erklärung gegenüber jW »von vorne bis hinten rassistisch und migrationsfeindlich«. Sie sei unterzeichnet worden, nachdem sich »zwei Nationalisten getroffen haben«, so Wolrab. »Die Länder sollen nach außen abgeschottet werden und es wird nicht darauf eingegangen, wieso Menschen überhaupt flüchten müssen«, kritisierte der KPÖ-Politiker.

Der Vorsitzende des KZ-Verbandes/BdA OÖ (Landesverband Oberösterreich der AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus), Harald Grünn, wies indessen auf die Doppelmoral österreichischer Politiker und Medien hin: »Ich habe noch nie einen solchen Aufschrei vernommen, wenn österreichische Politiker Giorgia Meloni besuchen fahren«, sagte er gegenüber jW. Bereits kurz nach ihrem Wahlsieg war Bundeskanzler Nehammer zu einem Arbeitsbesuch nach Rom gereist. Die »Wiener Erklärung« und die unterschiedliche Herangehensweise bei Meloni und Orbán spiegelten die divergenten Interessen des Großkapitals im Zusammenhang mit NATO und Russland in der EU wider, so Grünn.

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