Netanjahu entlässt Gallant
Von Jörg TiedjenIn sozialen Netzwerken war schon fast von einem Staatsstreich die Rede, nachdem Benjamin Netanjahu am Dienstag Verteidigungsminister Joaw Gallant entlassen hatte. Auf Videos war zu sehen, wie die Autokolonne des israelischen Regierungschefs durch die Innenstadt von Jerusalem raste und wütende Demonstranten fahnenschwingend auf die Straße gingen und auch vor dessen Haus zogen, obwohl die Polizei das Viertel, in dem der Premier wohnt, abzuriegeln begonnen hatte. In Tel Aviv wurden binnen kurzem einmal mehr die zentralen Verkehrswege blockiert.
»Gallant mitten im Krieg zu entlassen ist ein Akt des Wahnsinns«, schrieb Oppositionsführer Jair Lapid auf X. Netanjahu verkaufe »die Sicherheit Israels und seiner Armee für sein schändliches politisches Überleben«, so Lapid. Staatspräsident Isaac Herzog nannte den Schritt laut AP »das letzte, was Israel braucht«. Der Zusammenschluss der Angehörigen der nach Gaza entführten Geiseln kommentierte, die Absetzung Gallants sei »eine direkte Fortsetzung der ›Bemühungen‹« von Netanjahus Regierung, ein Abkommen für einen Gefangenenaustausch mit der Hamas zu »torpedieren«.
Während alle Augen auf die US-Wahlen gerichtet waren, hatte Netanjahu am Dienstag abend per Mitteilung aus seinem Büro Gallant durch den bisherigen Außenminister Israel Katz ersetzt, einen treuen Likud-Parteisoldaten. An dessen Stelle soll wiederum der frühere Justizminister Gideon Saar treten. Zur Begründung führte der Regierungschef eine »Vertrauenskrise« an. »Inmitten eines Krieges ist mehr denn je volles Vertrauen zwischen dem Premierminister und dem Verteidigungsminister erforderlich«, wird Netanjahu von AP zitiert. Dieses Vertrauen sei in den vergangenen Monaten »zerbrochen«.
Auf einer im israelischen Fernsehen übertragenen Pressekonferenz am späten Abend sagte Gallant, dass er mit Netanjahu vor allem in drei Punkten nicht übereinstimme: im Unterschied zu diesem sei er dafür, die Befreiung ultraorthodoxer Männer von der Wehrpflicht komplett zu streichen. Auch halte er ein Geiselabkommen mit der Hamas für »dringend notwendig«, ebenso eine »offizielle Untersuchungskommission zu den politischen und sicherheitspolitischen Fehlern vom 7. Oktober«. Schätzungen zufolge sollen sich noch 65 der ursprünglich 250 Geiseln lebend in den Händen der Hamas befinden.
Am Mittwoch kündigte Israels Opposition neue Proteste an. Anheizen dürfte sie auch ein jüngster Skandal, nach dem aus Netanjahus Büro gefälschte Hamas-Dokumente unter anderem an das deutsche Boulevardblatt Bild durchgestochen worden waren, um ein Geiselabkommen platzen zu lassen. Netanjahus ultrarechte Koalitionspartner hatten immer wieder gedroht, das Regierungsbündnis scheitern zu lassen, falls Netanjahu Zugeständnisse an die Palästinenserorganisation macht. Bei Neuwahlen würden Netanjahu aber wenig Chancen eingeräumt. Sein Ansehen in der israelischen Bevölkerung befindet sich auf einem Tiefpunkt.
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