Enemy mine
Von Felix BartelsDass die USA ein gespaltenes Land sind, ist oft gesagt worden. Es wird darum aber nicht weniger richtig. Standen sich Liberals und Conservatives einst politisch gegenüber, haben sie heute regelrecht separate Kulturen gebildet, Lebensräume, die sich kaum noch berühren, mit eigenen Sprachen, Wahrheiten, Quellen. Das ist bei aller Separation das Resultat einer Wechselwirkung.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzog sich sukzessive ein Prozess, der sich in den letzten Jahren stark beschleunigt hat. Das herrschende Establishment im real existierenden Kapitalismus eignete sich, soweit es nicht ums Ökonomische ging, progressive Ideen an. In Fragen der persönlichen Lebensweise wurde die herrschende Klasse emanzipatorisch. Drehpunkt war die Bürgerrechtsbewegung im Jahr 1964, als die Wahlgeographie sich auf den Kopf stellte. Die Konservativen wählten fortan republikanisch, die Linksliberalen demokratisch, obgleich die Republikaner eigentlich in der Tradition ihres früheren Präsidenten Lincoln standen. Die sogenannte Southern Strategy legte die Basis für diese Inversion, doch nach der Ära Reagan 1989 geriet der Konservatismus in eine Krise. Was damit zu tun hatte, dass die USA insgesamt einen demographischen Wandel durchmachten. Ideen der Liberals wurden mehrheitsfähig, konservative Ideen hatten zunehmend Schwierigkeiten, Mehrheiten zu gewinnen.
Die neue Rechte, in Gestalt der Tea-Party-Bewegung 2009 und später des Trumpismus, kann als Blowback bzw. Counter-Strategie zu dieser Entwicklung gesehen werden, als Fortführung der konservativen Kernidee – Ersetzung der Klassenkämpfe durch Kulturkämpfe mittels gemeinsamer Feindbilder (ethnische Minderheiten, Homosexuelle etc.) –, bar allerdings des konservativen Miefs. Die neue Rechte ging ein Zweckbündnis mit den Konservativen ein, das sie bald dominierte.
Was nicht passt, wird passend gemacht, doch im Innersten passte es von Anbeginn. Auch der weiße Stolz der Südstaaten und die Konservative Revolution waren im Selbstverständnis bereits rebellisch. Und mit einer Aversion gegen Staatlichkeit ausgestattet. Hierin kann man das Missing Link sehen, das alte Rechte und neue Rechte verbindet. Das mithin Kandidaten wie Donald Trump oder J. D. Vance ermöglicht, in Regierungspositionen zu kommen, wozu weder sie allein noch ihre konservativen Partner allein die Mehrheiten hätten. In den USA stehen sich heute zwei politische Kulturen gegenüber: einer herrschenden Klasse, die sich als emanzipatorisch, und einer herrschenden Klasse, die sich als rebellisch verklärt.
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