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Aus: Ausgabe vom 07.11.2024, Seite 4 / Inland
Proteste für Gaza

Gesichtsverlust für Unileitung

Berlin: Nach Hörsaalbesetzung drei Studentinnen wegen Hausfriedensbruch angeklagt
Von Annuschka Eckhardt
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Polizisten räumen protestierende Studierende an der Freien Universität (Berlin, 7.5.2024)

Schmückt sich die sogenannte Freie Universität (FU) zwar gerne mit ihrer Tradition studentischen Widerstands, liefert sie doch ihre protestierenden Studierenden ans Messer: Am Mittwoch sind Prozesse gegen drei Studentinnen vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt worden. Grund: Sie beteiligten sich an der Hörsaalbesetzung am 14. Dezember vergangenen Jahres auf dem Universitätsgelände, um gegen den Genozid in Gaza und die deutsche Beteiligung daran zu demonstrieren. Vorgeworfen wurde den jungen Erwachsenen Hausfriedensbruch.

»Für mich war alles nicht so durchsichtig«, sagte die damalige Leiterin der Stabsstelle des Universitätspräsidenten im Prozess gegen Sofia W., die als Zeugin gehört wurde. Diese war vom Präsidenten Günter Ziegler mit einer Vollmacht zur Durchsetzung des Hausrechts betraut worden. Sie konnte also entscheiden, ob der Hörsaal von den rund 150 anwesenden Polizisten geräumt werden sollte und ob die Studierenden mit Strafanzeigen versetzt werden sollten. Während der Besetzung war die Stabsleiterin mit den Erinnerungslücken, die mittlerweile nicht mehr an der FU beschäftigt ist, verantwortlich für die Korrespondenz mit der Polizei und mit den Studierenden.

Im Zuge ihrer Befragung wurde deutlich, dass der Strafantrag unwirksam war. Zunächst hatte die Unileitung während der Besetzung einen Strafantrag gestellt, diesen dann aber noch während der polizeilichen Räumung beschränkt. Den Besetzern wurde eine neue Frist gewährt, den Hörsaal zu verlassen. Eine solche Beschränkung ist unwiderruflich, so dass der einige Wochen später erneut gestellte Strafantrag unwirksam war. Daher plädierten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch W.s Verteidiger Benjamin Düsberg für eine Einstellung des Verfahrens aufgrund eines Prozesshindernisses.

Auch die Angeklagte meldete sich zu Wort: »Ich möchte mit großer Klarheit den Vorwurf des Antisemitismus, der als Begründung für die Räumung der Besetzung genutzt wird, zurückweisen«, sagte die 23jährige Studentin. Antisemitismus, der systematische Hass und Gewalt gegen Juden stehen in keinem Zusammenhang mit der Solidarität mit dem palästinensischen Volk, das gerade einen zweiten Massenvölkermord erlebt, eine zweite Nakba. »Dies zu vermischen ist gegenüber den Menschenrechten und gegenüber der Geschichte grob fahrlässig.«

Richterin Olsen entschied sich, das Verfahren einzustellen, auch für eine weitere Studentin, deren Prozess direkt im Anschluss stattfand. Das Verfahren der dritten Beschuldigten wurde vertagt. »Unabhängig von dem guten Ausgang des Strafverfahrens hatten die Besetzer ein inhaltlich berechtigtes Anliegen, gegen einen Genozid zu protestieren, und auch das Recht, dies im Rahmen einer Besetzung eines Hörsaals zu Wort zu bringen«, sagte Rechtsanwalt Düsberg nach der Verhandlung gegenüber junge Welt. Von der Unileitung sei es ihm zufolge unverhältnismäßig »und auch daneben«, die eigenen Studierenden mit 150 Beamten räumen zu lassen.

Die Uni habe gezeigt, auf wessen Seite sie stehe, sagte W. nach Einstellung des Prozesses: »auf der des Staates und nicht auf der Seite der eigenen Studierenden und damit auch nicht auf der Seite des wissenschaftlichen Diskurses«, sagte die Studentin gegenüber jW. »Das ist ein Gesichtsverlust!« Auch wenn der Prozess ein Erfolg für die Rechte der Studierenden gewesen sei, gehe der Genozid in Gaza weiter und damit auch die unbedingte Notwendigkeit, Widerstand dagegen zu leisten.

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