Wildwuchs auf dem Mietmarkt
Von Oliver RastEs sind drei Schlagworte, es ist eine Art Dreiklang: bauen, rekommunalisieren, regulieren. So stellt sich die Fraktion Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus (AGH) das »Rettungsprogramm sozialer Wohnungsbau« vor. Denn die Lage ist dramatisch in der Hauptstadt. Bis 2026 falle berlinweit knapp die Hälfte der rund 93.500 Sozialwohnungen aus alten Förderjahrgängen aus der Mietpreis- und Belegungsbindung, erläuterte Niklas Schenker am Mittwoch auf einer Pressekonferenz (PK) im AGH. Zehntausenden betroffenen Mieterinnen und Mietern drohten drastische Mieterhöhungen oder die Kündigung durch Vermieter wegen Eigenbedarfs, so der Fraktionssprecher für Mieten und Wohnen. »Ganze Stadtteile werden dadurch sozial entmischt.« Allein im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ginge bis Jahresende ein Viertel des ehemals öffentlich geförderten Wohnungsbestands verloren. In jenen Stadtquartieren rolle eine »massive Verdrängungswelle heran«, befürchtet Schenker.
Hinzu kommt: Der CDU-SPD-Senat hatte Mitte vergangenen Jahres den Berechtigtenkreis für einen einkommensabhängigen Wohnberechtigungsschein (WBS) deutlich erweitert. Nun haben auch Haushalte mit mittlerem Einkommen Anspruch darauf. Aktuell gebe es in Berlin mehr als 1,1 Millionen WBS-berechtigte Haushalte, weiß der Linke-Politiker. Das sind fast 60 Prozent aller. Klar, es sei gut, so Schenker auf jW-Nachfrage, dass mehr Bewohnerinnen und Bewohner dieser Stadt anspruchsberechtigt seien. Richtig auch: Die Konkurrenz auf dem sozialen Mietwohnungsmarkt nehme weiter zu. Die Konsequenz könne indes nicht sein, den Kreis der WBS-Berechtigten zu begrenzen. Schenker: »Wenn der Senat mehr Menschen ans Buffet einlädt, muss er gleichfalls das Angebot vergrößern.« Deshalb müsse der Abbau des sozialgebundenen Wohnungsbestands gestoppt werden. Nicht irgendwann, sondern kurzfristig. Ferner müsse er mittelfristig ausgebaut werden. Dafür gebe es mieten- und wohnungspolitische, ebenso baurechtliche Instrumente, betonte Schenker.
Diese etwa: Es braucht ein kommunales Wohnungsbauprogramm. Dringend. Zumal der Senat seine »Zielzahl« von jährlich 5.000 geförderten Wohnungen seit der Wiederaufnahme der Wohnungsbauförderung 2014 deutlich verfehlt hat. Trotz zusätzlicher Finanzmittel sank der öffentliche Mietwohnungsbestand um zirka 42.000 Wohneinheiten. Außerdem muss Schenker zufolge das »Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung« novelliert werden. Statt wie bisher 30 Prozent müsste die Quote für mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum bei Wiedervermietungen bei landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) 75 Prozent betragen. Und die LWUs müssten Wohnungen mit auslaufenden Bindungen aufkaufen. Besser, weil kostengünstiger als der Ankauf zu Marktpreisen sei aber die Vergesellschaftung großer, privater Immobilienkonzerne. Nicht zuletzt müssten alle gewerblichen Vermieter gesetzlich verpflichtet werden, künftig bis zu 35 Prozent der neu vermieteten Wohnungen an WBS-Berechtigte zu vergeben. Zu festgesetzten Mieten, wohlgemerkt.
Ein »Rettungsprogramm«, mit dem Ulrike Hamann-Onnertz einverstanden ist. Die Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins beklagte auf der PK den »wild gewordenen Mietmarkt« in der Hauptstadt. Mehr noch, der »soziale Preis für Berlin« werde enorm, wenn der Senat weiterhin tatenlos zusehe. Landes-, aber auch Bundespolitik müssten hingegen eingreifen, regulieren. Beispielsweise bei der Mietpreisbremse. Eigentlich dürfe die Miete bei Neuvermietungen nicht mehr als zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete betragen. Zahlreiche Vermieter setzten sich darüber einfach hinweg. Die Mietpreisbremse sei nicht sanktionsbewehrt, werde nicht kontrolliert, ärgert sich Hamann-Onnertz. »Das muss sich ändern.«
Bleibt noch: Wer soll das milliardenschwere »Rettungsprogramm« bezahlen? Beim Neubau, beim An- und Aufkauf von Wohnungsbeständen stehen den Kosten Immobilienwerte gegenüber, wird das öffentliche Vermögen vermehrt. »Bauen, rekommunalisieren, regulieren ist deshalb auch schuldenbremsenkompatibel«, so Schenker und Hamann-Onnertz einhellig.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (7. November 2024 um 16:41 Uhr)In Spanien organisieren Aktivisten einen Mietenboykott und erhalten großen Zuspruch. Im Berliner Abgeordnetenhaus fordern die Linken mal wieder, was doch nicht kommt. Was erhalten sie? Ihre Abgeordnetenbezüge.
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