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Aus: Ausgabe vom 07.11.2024, Seite 6 / Ausland
Krieg gegen Gaza

Alle für Albanese

Jüdische Vereinigungen stellen sich hinter heftig attackierte UN-Berichterstatterin und kritisieren Instrumentalisierung von Antisemitismus
Von Gerrit Hoekman
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Integrität als Profession: Die UN-Vertreterin für die besetzten Gebiete, Francesca Albanese (Genf, 26.3.2024)

Die von Israel und den USA heftig kritisierte UN-Sonderberichterstatterin für Palästina, Francesca Albanese, wird von 30 jüdischen Gruppen und Organisationen verteidigt. In einer am Dienstag von der NGO Independent Jewish Voices (Unabhängige Jüdische Stimmen, IJV) veröffentlichten gemeinsamen Solidaritätsadresse heißt es: »Frau Albanese ist unerbittlichen Angriffen politisch motivierter Organisationen wie ›UN Watch‹ ausgesetzt, die giftige Hetzkampagnen führen, um sie zum Schweigen zu bringen und ihrem Menschenrechtsmandat zu schaden.« Hintergrund ist, dass Albanese die Situation im Gazastreifen schonungslos anprangert.

Nachdem sie vergangene Woche ihren aktuellen Menschenrechtsbericht aus Gaza vorgelegt und als Konsequenz gefordert hatte, Israel aus der UNO auszuschließen, gab es erneut persönliche Angriffe. »Die Vereinten Nationen sollten keinen Antisemitismus von einer UN-Beauftragten dulden, die mit der Förderung der Menschenrechte beauftragt ist«, ätzte Linda Thomas-Greenfield, die US-Botschafterin bei der UNO. »Bedauerlicherweise haben Vertreter einiger westlicher Regierungen diesen Hetzkampagnen starken Rückenwind gegeben, indem sie Frau Albanese des Antisemitismus beschuldigten«, heißt es in dem Statement der jüdischen Gruppen. Das Ziel sei klar: Die israelische Regierung vor internationaler Kritik und rechtlicher Verantwortung zu schützen. »Frau Albanese verteidigt mehr als zwei Millionen Zivilisten in Gaza, deren Leben existentiell bedroht ist, unter anderem durch vorsätzliches Aushungern.« Anstatt die Kriegsverbrechen zu stoppen, solle die Überbringerin der Botschaft zum Schweigen gebracht werden. Zu den unterzeichnenden NGOs gehören beispielsweise die Gruppen »Israelis gegen Apartheid«, die belgische »Antizionistische Jüdische Allianz« und die deutsche »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«.

»In diesem Zusammenhang verurteilen wir auch die eskalierende Instrumentalisierung des Antisemitismus, insbesondere durch die höchst umstrittene IHRA-Definition von Antisemitismus, die auch als Waffe gegen Frau Albanese und die Vereinten Nationen im allgemeinen eingesetzt wird«, heißt es in der Erklärung weiter. Die Definition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) bezeichnet unter anderem die »Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird«, als antisemitisch.

»Unter dem Schutz der US-amerikanischen und europäischen Regierungen hat Israel im Namen des ›Schutzes der Juden‹ Zehntausende palästinensische Zivilisten getötet«, klagen die unterzeichnenden Gruppen an. »Wir bedauern zutiefst, dass die etablierten jüdischen Organisationen, die behaupten, jüdische Gemeinden in Europa und Nordamerika zu vertreten, sich entschieden haben, ihre blinde Unterstützung der israelischen Regierung aufrechtzuerhalten – trotz ihrer schrecklichen Kriegsverbrechen in Gaza und der eskalierenden Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland.« Der einzige Weg zu Sicherheit und Stabilität für alle seien ein auf Menschenrechten basierender Ansatz und die Bekräftigung der internationalen Rechtsordnung durch die konsequente Durchsetzung des Völkerrechts – genau das, wofür Albanese stehe.

In einem Video im Internet verurteilte auch der ultraorthodoxe US-amerikanische Rabbi Dovid Feldman am vergangenen Freitag die Versuche, Albanese einzuschüchtern. Antizionismus sei ein Aufruf zur Gerechtigkeit und nicht zum Antisemitismus. Rabbi Feldman, selbst ein scharfer Kritiker des Zionismus, taucht immer wieder auf propalästinensischen Kundgebungen auf. Sein Motiv ist in erster Linie religiöser Natur. Für Feldman, den Chef der »Neturei Karta« (Wächter der Stadt), ist Israels Existenz Gotteslästerung. Nur dem Messias stehe es laut Thora zu, einen jüdischen Staat auszurufen, der dann eine Theokratie wäre. Deshalb betrachten die Neturei Karta das öffentliche Verbrennen israelischer Fahnen gewissermaßen als göttlichen Auftrag. Übrigens ersetzen sie den Davidstern in der israelischen Nationalflagge oft durch ein Hakenkreuz. Nach der Definition der IHRA ist es antisemitisch, Israel mit Nazideutschland zu vergleichen.

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