»Das Geld sollte ins Programm investiert werden«
Interview: Gitta DüperthalVerdi und DGB kritisieren Kürzungen im von den Ministerpräsidenten Ende Oktober beschlossenen Medienstaatsvertrag. Wie stark werden die Eingriffe sein?
Die AfD will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einschränken. Aber auch CDU/CSU und SPD haben mitunter Probleme mit ihrer Rolle als Garanten für einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dabei sollte diese den Werten der pluralistischen Demokratie verschriebene Institution gerade gestärkt werden, um in die Gesellschaft hineinzuwirken. Denn über digitale Wege sind viele Halb- und Unwahrheiten von unseriösen Anbietern verfügbar. Unsere Verfassung schreibt die Rundfunkfreiheit fest. Die Tragweite dessen, gerade jetzt die seriösen Anbieter zu schwächen, ist den Entscheidern offenbar nicht bewusst. Gespart werden soll bei Informations- und Bildungssendungen, Dokumentationen und Angeboten für jüngere Menschen. Regionale Radioprogramme der ARD sollen um ein Drittel reduziert werden. Nur zwei Kanäle aus dem bisherigen Angebot aus Phoenix, Tagesschau 24, ARD alpha und ZDF Info sollen bestehen bleiben. Bei Textangeboten im Internet soll es Einschränkungen geben.
Bei den Textangeboten geht es um sogenannte Presseähnlichkeit. Werden Nutzer künftig an Bezahlschranken scheitern?
Die Zeitungsverleger argumentieren, die Öffentlich-Rechtlichen würden ihnen mit Textangeboten Konkurrenz machen. Die neuen Einschränkungen werden sich negativ auf die Informiertheit in unserer Gesellschaft auswirken. Zu bedenken ist: Die öffentlich-rechtlichen Sender haben einen Grundversorgungsauftrag.
Wann kommt die Reform?
Im September legten die Ministerpräsidenten einen Entwurf vor. Innerhalb von zwei Wochen konnte die Öffentlichkeit dazu Stellung nehmen, was sie ausgiebig tat. Die Reform, vor allem der neue Rundfunkbeitrag, sollte im Januar 2025 in Kraft treten. Angekündigt ist aber, dass es bis zum Sommer dauern wird.
Könnte sich ein Landtag quer stellen?
Theoretisch eine Option! Trotz der problematischen Änderungen weiß ich nicht, ob man sich das wünschen sollte. Es wäre ein Verfahrensbruch. Die letztliche Entscheidung obläge dem Bundesverfassungsgericht.
Hat der öffentliche Druck etwas bewirkt?
Ob die Rundfunkkommission sich hat beeindrucken lassen, kann man nur vermuten. Es wurde Abstand davon genommen, Arte und 3sat zusammenzulegen; jetzt wird der Ausbau von Arte zur »europäischen Kulturplattform angeregt«, 3sat-Inhalte könnten dort einfließen. Der Kika und das Onlineangebot Funk für junge Menschen bleiben erhalten. Bei Breaking News, etwa zu Hochwasserkatastrophen wie jetzt in Spanien, sollte es im Internet zunächst nur noch Schlagzeilen geben dürfen; ohne Text dazu, was sich gerade ereignet. Das wurde abgeändert: Text darf angefügt werden, aber nur, wenn später dazu eine Sendung geplant ist. Das ist im Vergleich zum Status quo eine starke Einschränkung.
Sie monieren, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei künftig gezwungen, »Millionen Euro für die Arbeit von Juristen und Wirtschaftsprüfern auszugeben« – warum?
Die neuen Vorgaben zur Zusammenarbeit schreiben vor, zu einem Parteitag nur noch einen öffentlich-rechtlichen Beitrag oder einen Kommentar zu senden. Um eigenständig arbeiten zu können, müssen Senderverantwortliche dann in solchen Fällen nachweisen, dass ihnen eine Zusammenarbeit nicht möglich war. Ständige Nachweise der Wirtschaftlichkeit erfordern hohen Aufwand und verursachen Kosten. Das ist kontraproduktiv. Das Geld sollte ins Programm investiert werden.
Was bedeutet das für die Beschäftigten?
Schon jetzt werden Sendeplätze für Kultur und Politik gestrichen, was weniger Arbeitsplätze und Aufträge bedeutet. Weniger Menschen müssen immer mehr in kürzerer Zeit leisten. Weder die Kommission noch die Ministerpräsidenten haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angehört, die teilweise Jahrzehnte die Programme mitgestalten, um sie ansprechend zu realisieren. Hätte man sie gefragt, hätten sie viel zur Debatte beitragen können.
Bettina Hesse ist medienpolitische Referentin der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft
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