Grundsätzlicher Konflikt
Von Knut MellenthinIsraels Premierminister Benjamin Netanjahu hat am Tag der Präsidentenwahl in den USA seinen Verteidigungsminister Joaw Gallant gefeuert. Die Oppositionspolitiker protestierten, einer sprach sogar von einem »Akt des Wahnsinns«, und in Tel Aviv versammelten sich am Dienstag abend spontan Tausende Menschen und zeigten ihre Wut auf den Straßen.
Die Dramaturgie des Regierungschefs und das Szenario erscheinen bekannt? Richtig: Netanjahu hatte seinen Parteifreund schon einmal, im März 2023, entlassen oder hatte das jedenfalls öffentlich erklärt. Es gab massenhafte Proteste, der Premier zögerte mit der Ernennung eines Nachfolgers, und irgendwann stellte sich definitiv heraus, dass Gallant immer noch im Amt war und dort einstweilen bleiben sollte. Der 7. Oktober 2023 und der darauffolgende Feldzug der israelischen Streitkräfte gegen die Bevölkerung des Gazastreifens, der sich zu einer Art Mehrfrontenkrieg auswuchs, taten ein übriges, einschneidende Personalveränderungen nicht ratsam erscheinen zu lassen.
Dass »die Chemie« zwischen den beiden Männern nicht stimmte, wurde trotzdem immer wieder unübersehbar. Schon im September spekulierten die israelischen Medien über eine bevorstehende Entlassung des Verteidigungsministers, der sich nie Mühe gab, seine Unzufriedenheit mit dem Kriegsmanagement des Regierungschefs zu verheimlichen. Gallant hält es besonders vor dem Hintergrund eines monatelangen Kriegszustands für unvertretbar, die Jugend der Orthodoxen vor der allgemeinen Wehrpflicht zu bewahren. Gallant ist nicht einverstanden damit, dass Netanjahu die Vereinbarung eines Gefangenenaustausches mit der Hamas hintertrieb, indem er unbedingt auf dem Verbleib israelischer Truppen im Philadelphi-Korridor bestand, der den Gazastreifen von Ägypten trennt.
Die zugänglichen Informationen deuten darauf hin, dass Gallant in allen Streitfragen mit Netanjahu für Positionen steht, die von den Führungen der Streitkräfte, des Auslandsgeheimdienstes Mossad und des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet weitgehend geteilt werden. Dass Netanjahu diesen grundsätzlichen Konflikt, der über eine persönliche Rivalität zwischen zwei ambitionierten Männern eindeutig hinausgeht, auf Dauer für sich entscheiden kann, ist unwahrscheinlich. Donald Trumps Wahlsieg ist auch ein Triumph des Premierministers, der am Mittwoch enthusiastisch vom »größten Comeback der Geschichte« sprach. Aber ewig schützen kann der nächste US-Präsident seinen israelischen Freund nicht.
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vom 07.11.2024