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Aus: Ausgabe vom 07.11.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Tesla Grünheide

Wo bei Tesla der Schuh drückt

Grünheide: Umfrage der IG Metall zu Überlastung. Management zahlt vier Prozent mehr
Von Michael Merz
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Weit draußen, aber nicht unbeobachtet: Arbeitsbedingungen bei Tesla in Grünheide

Der E-Auto-Hersteller Tesla hat am Dienstag die Löhne seiner Beschäftigten ab dem 1. November um vier Prozent angehoben. Die Gewerkschaft sei in die Entscheidung nicht involviert gewesen, verkündete das Werk, in dem kein Tarifvertrag gilt, genüsslich. »Auch mit dieser Erhöhung bleiben die Entgelte bei Tesla deutlich unter dem Tarifniveau in der Metall- und Elektroindustrie«, ergänzte sogleich Markus Sievers von der IG-Metall-Bezirksleitung für Berlin, Brandenburg und Sachsen in einer Mitteilung vom Dienstag nachmittag. Und fügte hinzu: »Die Ankündigung der Lohnerhöhung kommt direkt, nachdem die IG Metall unter anderem mit den schockierenden Umfrageergebnissen zur Arbeitsbelastung bei Tesla den Druck auf das Management noch einmal erhöht hat.«

Hoher Krankenstand

Dass Multimilliardär Elon Musk mit Gewerkschaften auf Kriegsfuß steht, ist eine Binse. Und so war es für die IG-Metall-Mitglieder im Betriebsrat der sogenannten Tesla-Gigafactory im brandenburgischen Grünheide kein leichtes Unterfangen, eine Umfrage unter der Belegschaft durchzuführen. Dem hohen Krankenstand von oft 15 Prozent der Beschäftigten des E- Auto-Herstellers sollte auf den Grund gegangen werden. Um es vorwegzunehmen: »Die Ergebnisse sind erschütternd und machen mich wütend«, erklärte IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze nach Auswertung der Daten am Freitag vergangener Woche.

Erst im September war Tesla Grünheide bundesweit in die Schlagzeilen geraten, nachdem bekannt geworden war, dass unangemeldete Hausbesuche bei krankgeschriebenen Arbeiterinnen und Arbeitern stattfinden würden. Hausbesuche seien nichts Ungewöhnliches – »das machen viele Unternehmen«, sagte zu diesem Zeitpunkt André Thierig, der Leiter des Werks in Grünheide, laut dpa. »Wir wollten an die Arbeitsmoral der Belegschaft appellieren.« Methoden, die ihresgleichen suchen unter Autoherstellern hierzulande. In Brandenburg stellt Tesla seit mehr als zwei Jahren Elektroautos her, etwa 12.500 Beschäftigte malochen dort. Zu Beginn des Monats November wurden etwa 500 Leiharbeiter fest angestellt, der dem Management zugewandte Teil des Betriebsrats – die Mehrheit, »Fraktion 23« genannt – ließ sich dafür feiern. Doch die Krise auf dem E-Auto-Markt ist manifest. Große Mengen der produzierten Fahrzeuge verstauben auf Halde geparkt und warten darauf, gekauft zu werden.

Mehrheit überlastet

Die 16 IG-Metall-Mitglieder im Betriebsrat hatten, so ist es seitens der Gewerkschaft zu vernehmen, mit einigen Widerständen zu kämpfen, die Umfrage überhaupt zu starten. Einige Angestellte hätten sich vom Management einspannen lassen, um sie möglichst zu verhindern. Doch letztlich gaben 1.200 Beschäftigte, also etwa zehn Prozent der Belegschaft, Auskunft. 83 Prozent der befragten Tesla-Arbeiter fühlen sich oft oder sehr oft überlastet. Dabei spielen viele von ihnen mit dem Gedanken, das Arbeitsleben künftig außerhalb der Gigafactory zu bestreiten: Nur jeder Zehnte glaubt, die aktuelle Situation bis zur Rente aushalten zu können. Denn es gibt akute Beschwerden: 91 Prozent der Befragten leiden unter körperlichen Beschwerden wie Kopf-, Nacken-, Gelenk- oder Rückenschmerzen.

»Die Werksleitung darf diese Zahlen nicht ignorieren«, fordert Schulze. Der Metaller appelliert an das Verständnis für »unsere Mitbestimmungskultur in Deutschland« und hat konkrete Vorschläge aus der Belegschaft aufgegriffen: Eine zusätzliche bezahlte Pause müsste her, »so wie es in vielen tarifgebundenen Automobilwerken üblich ist«, so Schulze weiter. 90 Prozent der Befragten unterstützten diese Forderung. Nur vier Prozent sprächen sich gegen Veränderungen im Schichtsystem aus. Statt Abmahnungen und Kündigungen gegen kritische Beschäftigte zu verteilen, müsse das Management die Lösungsvorschläge der Metallerinnen und Metaller im Betriebsrat aufnehmen.

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