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Aus: Ausgabe vom 08.11.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Ende der Koalition

Der Kanonenkanzler

Olaf Scholz führt Bruch der Koalition herbei
Von Arnold Schölzel
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Bundeskanzler Olaf Scholz in einem Panzerfahrzeug während einer Militärübung im litauischen Vilnius (6.5.2024)

Nach einjährigem Siechtum der »Ampel« hat Olaf Scholz deren Ende mit einem Knall herbeigeführt. Er kam der FDP zuvor, die sich weigerte, eine »von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung« (Artikel 109 und 115 Grundgesetz) festzustellen und die sogenannte Schuldenbremse zu lockern. Am 15. November 2023 hatte das Bundesverfassungsgericht auf Antrag von CDU/CSU-Politikern entschieden, dass der Nachtragshaushalt 2021 nichtig, weil verfassungswidrig sei. Damit waren im Bundesetat fest eingeplante 60 Milliarden Euro futsch. Die FDP wollte die Haushaltstrickserei, die sich Scholz und Lindner ausgedacht hatten, nicht wiederholen, SPD und Bündnis 90/Die Grünen schon.

Das Ergebnis, der Koalitionsbruch, war eine Frage der Zeit. Denn hinter den Auseinandersetzungen des vergangenen Jahres standen und stehen zwei gegensätzliche Konzepte zur »Lösung« der wirtschaftlichen Krise. Sie schwelt in den Hauptländern des Kapitalismus seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2007 mit dem Zusammenbruch des US-Hypothekenmarktes begann. In der Bundesrepublik macht sie sich im Vergleich der Industrieländer gegenwärtig in zugespitzter Form bemerkbar. Die konjunkturelle Rezession hält an. Am Donnerstag meldete das Statistische Bundesamt, dass die deutsche Industrieproduktion im September im Vergleich zum August um 2,5 Prozent zurückgegangen ist, wobei die Autobranche ein Minus von 7,8 Prozent hinlegte, die Chemieindustrie 4,3 Prozent weniger herstellte. Die deutschen Exporte sanken im Monatsvergleich um 1,7 Prozent wegen schwacher Nachfrage aus Westeuropa (Vereinigtes Königreich minus 4,8 Prozent) und China (minus 3,7 Prozent).

Die Forderungen der deutschen Industrie nach staatlicher Subventionierung werden entsprechend lauter, gleichzeitig sind eine in der Geschichte der Bundesrepublik nie gesehene Aufrüstung und der Ukraine-Krieg zu finanzieren, die Sozialsysteme wackeln – die deutsche Kapitalherrschaft ist an den Grenzen ihrer Belastbarkeit. Vor allem stottert die deutsche Exportwalze, die wirtschaftliche Weltmacht erfährt, was Niedergang bedeutet. Im Frühjahr brachte das Ifo-Chef Clemens Fuest auf die 1936 von »Führer«-Stellvertreter Rudolf Heß proklamierte Formel »Kanonen statt Butter«.

Der Koalitionskrach ist Resultat der sich zuspitzenden Lage. Lindner hatte am Freitag in seinem »Wirtschaftswende«-Papier die eine »Lösung« angeboten, die im Kapitalismus in solchen Fällen auf den Markt kommt: satte Finanzierung von Industrie und Krieg, aber drastische Streichungen in Sozial- und Klimapolitik, um die »Schuldenbremse« einzuhalten. Die Zustimmung von Friedrich Merz war ihm sicher: Lindner habe lediglich CDU/CSU-Vorlagen kopiert.

Die Krisen-»Lösung« der anderen beiden Koalitionspartner ist selbstverständlich auch keine, sondern sorgt für Verschärfung der nächsten Krise: Staatsschulden erhöhen, um doch noch alle drei Komplexe – Wirtschaftsankurbelung, Soziales und Krieg – zu bewältigen. Hinzu kommt: SPD und Grüne haben bei den Wahlen dieses Jahres schon große Teile ihrer Wähler verloren, der Trend könnte sich beschleunigt fortsetzen. Der Weg zur Kleinpartei ist eingeschlagen.

Der Hauptgrund für die Unzufriedenheit großer Teile – in Ostdeutschland der Mehrheit – des Wahlvolks ist in Bürgermedien und Politikerauslassungen nach dem Ampelende aber derart tabu, dass er nirgends erwähnt wurde: Militarisierung und Kriegsbeteiligung. Don’t mention the war.

Diese Regierung war eine Kriegsregierung, die nächste unter CDU/CSU-Führung wird erst recht eine. Die Wählermehrheit dafür ist noch da. Scholz hat 2022 den Kurs auf »Kanonen plus Butter« eingeschlagen. Das Programm des »Slawa Ukraini!«-Grüßers sah reaktionär-militaristischen Staatsumbau, die Rehabilitierung des Faschismus, zunächst des ukrainischen, und Beibehaltung des durch SPD und Grüne mit der »Agenda 2010« stark durchlöcherten Sozialsystems vor. Der Kanonenkanzler hat den Notstand, der nun vorerst zur Lockerung der Schuldenbremse erklärt werden soll, herbeigeführt und das Feld für den Blackrock-Statthalter Merz vorbereitet. Die SPD hat wieder einmal ihre Schuldigkeit getan.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (8. November 2024 um 20:36 Uhr)
    Das konjunkturelle Auf und Ab gehört zur kapitalistischen Wirtschaft. Gängige Wirtschaftspolitik steuert dem mit antizyklischen Investitionen, etwa in die Infrastruktur, entgegen. Zu diesem Zweck gibt es eine Ausnahme von der Schuldenbremse im Grundgesetz. Die derzeitige Wirtschaftsflaute ist aber nicht auf die üblichen Konjunkturzyklen zurückzuführen, sondern auf katastrophale Fehler in der Ukraine-Politik, nämlich auf willentlich gegen Russland verhängte Sanktionen. Schuldenmacherei für die Konjunktur würde die vom Grundgesetz gestattete entsprechende Ausnahme von der Schuldenbremse missbrauchen. Scholz beruft sich denn zwecks Schuldenfinanzierung des Ukraine-Krieges auch auf den Fall außergewöhnlicher »Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen« (Art. 109 und 115 GG). Auch damit liegt er natürlich falsch, denn der Ukraine-Krieg ist direkte Folge einer Reihe politischer Fehlentscheidungen und keineswegs wie eine Naturkatastrophe hereingebrochen. Zuvorderst sind Merkels Fehler zu nennen. Sie hatte bereits Mitte November 2021 gemeinsam mit Frankreich völkerrechtswidrig die Minsker Abkommen explizit in die Tonne getreten, als sie von den vertraglich vereinbarten direkten Verhandlungen zwischen Kiew und den Donbassrepubliken nichts mehr wissen wollte. Russland hatte die entsprechenden diplomatischen Noten in einem Affront veröffentlicht. Merkel, Poroschenko und Hollande haben zudem längst offen zugegeben, die Minsker Vereinbarungen nur zum Schein abgeschlossen zu haben, um Zeit für die Aufrüstung der Ukraine zu gewinnen. Scholz’ Versprechen, Nord Stream im Fall eines russischen Angriffs auf die Ukraine stillzulegen, dürfte die Amerikaner mit inspiriert haben, genau diesen Angriff zu provozieren. Auch Scholz’ Zusage von Mitte Februar 2022, Minsk umzusetzen, wurde umgehend von der Eskalation der Kämpfe im Donbass als falsch entlarvt. Realiter hat man nie ernsthaft versucht, Minsk umzusetzen. Dieser Fehler soll außerhalb »der Kontrolle des Staates« liegen?!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Steffi S. (8. November 2024 um 12:56 Uhr)
    So bitter, aber leider wahr….
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (7. November 2024 um 16:16 Uhr)
    Ein Artikel, der das Problem auf den Punkt bringt. SPD-Kanonenkanzler Scholz, dem der Weg »Kanonen plus Butter« mittlerweile wegen der miesen Wirtschaftslage versperrt ist, hat das Würgen seiner Hampel-Ampel beendet. Bei den Sozen scheint man zu glauben, dass man mit diesem Kanzler erneut ins Rennen gehen und gewinnen kann. Hier wird man erleben, was der große »Verbündete« jenseits des Atlantiks gerade vorgemacht hat. Es wird auch hier völlig wurscht sein, wer im Kanzlerbunker Platz nimmt. Die Auswirkungen für die große Masse der Menschen im Land werden eine Verschlechterung ihrer sozialen Lage sein. Da man jeden Euro nur einmal ausgeben kann und man aber auch nicht bereit ist, von der »Kriegsertüchtigung« und der milliardenschweren Pamperei des ukrainischen Faschismus abzulassen, ist das die logische Konsequenz. Der Neue in Washington hat darüber hinaus schon angekündigt, dass die Europäer, gemeint sind die Westeuropäer, gefälligst die Finanzierung des Kiewer Regimes zu übernehmen haben. Ziemlich miese Aussichten für den ehemaligen Exportweltmeister, der sich mit seiner Selbstkastration im Energiebereich eine wichtige Basis selbst zerstört hat.

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