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Aus: Ausgabe vom 08.11.2024, Seite 15 / Feminismus
Spanien

Machos überall

Linksbündnis Sumar: Vorwürfe sexueller Übergriffe an Exsprecher. Wahlkoalition soll davon gewusst haben – was in Spanien justitiabel ist
Von Carmela Negrete
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Selbst betroffen und Hilfe für andere Frauen: Die Journalistin Cristina Fallarás (Santa Cruz de Tenerife, 28.10.2024)

Linke Organisationen sind nicht frei von Machismus, oft wird solches Verhalten aber über längere Zeit geduldet oder bleibt unerkannt. So im Fall des Sprechers des spanischen mitregierenden linksgrünen Bündnisses Sumar, Íñigo Errejón. Ihm werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Die durch die Vorwürfe ausgelöste gesellschaftliche Debatte ist derzeit durch die Flutkatastrophe unterbrochen.

Der frühere Mitbegründer der linken Partei Podemos sowie ihrer späteren Abspaltung Más País wird von Dutzenden Frauen vor allem in sozialen Netzwerken sexualisierter Gewalt beschuldigt. Mindestens zwei Frauen haben ihn bei der Polizei angezeigt. So auch die mit Realityformaten bekanntgewordene Aída Nízar. Der im Fall der Schauspielerin Elisa Mouliaá ermittelnde Richter hat Errejón als der sexuellen Nötigung Beschuldigten kommende Woche zur Aussage vorgeladen.

Errejón selbst veröffentlichte am 24. Oktober ein Kommuniqué, in dem er sich für sein Verhalten entschuldigte und sein Amt als Abgeordneter von Sumar niederlegte. »In politischen und medialen Spitzenpositionen« überlebe man besser und effektiver, »wenn man sich oft auf eine Weise verhält, die sich von Fürsorge, Empathie und den Bedürfnissen anderer emanzipiert«. Er habe eine »toxische Subjektivität« entwickelt, »die bei Männern durch das Patriarchat noch verstärkt wird – im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, mit Mitarbeitenden in Organisationen, in zwischenmenschlichen Beziehungen und sogar im Verhältnis zu sich selbst«. Dass er sich bei seiner Begründung für sein machistisches Verhalten ausgerechnet auf das Patriarchat beruft und sich quasi als dessen Opfer darstellt, hat ihm in Spanien kaum jemand abgekauft.

Bis zu vier Jahre Gefängnis könnten Errejón nun drohen – die weiteren Konsequenzen sind noch unklar. Es ist sogar möglich, dass die Wahlkoalition Sumar selbst angeklagt wird. Denn laut dem 2022 vom Gleichstellungsministerium verabschiedeten Gesetz, das damals von Podemos eingeführt wurde und als »Nur-ja-heißt-ja-Gesetz« bekannt ist, können Organisationen verurteilt werden, die von sexuellen Übergriffen wussten und sie nicht den Behörden meldeten. Und Sumar war offenbar bereits seit 2023 über einen möglichen Fall sexueller Belästigung durch Errejón informiert, da die Organisation eines Punkfestivals einen entsprechenden Post auf Twitter abgesetzt hatte. In einer Pressekonferenz erklärte Sumar-Chefin Yolanda Díaz, das Problem hätte sich erledigt, da der Post später gelöscht wurde.

Die Wahlkoalition steckte schon vor dem Skandal in einer tiefen Krise. Zuletzt hatte sich die Vizepräsidentin und Arbeitsministerin Díaz, das bekannteste Gesicht von Sumar, aus der Leitung der Partei zurückgezogen (Sumar ist sowohl eine von Díaz gegründete Partei wie auch eine Koalition gleichen Namens). Der Fall Errejón und die fehlende Anwendung des eigentlich für solche Fälle existierenden Protokolls kann für die Koalition nun sehr teuer werden – ausgerechnet in einem Moment, wo die Legitimität der »Volksparteien« PSOE und PP nach dem Missmanagement der Flutkatastrophe erschüttert ist. Aber auch der mittlerweile in der Opposition sitzenden Podemos wird vorgeworfen, bereits in den ersten Jahren von dem Fehlverhalten Errejóns gewusst und dazu geschwiegen zu haben – dafür gibt es aber bislang keine Beweise.

Dass der Fall überhaupt bekannt und öffentlich gemacht wurde, verdanken die betroffenen Frauen der Journalistin Cristina Fallarás, die – wie sie selbst mehrfach berichtet hat – in ihrer Jugend selbst Opfer einer Vergewaltigung wurde und auf Instagram einen Raum für die Veröffentlichung anonymer Geschichten geschaffen hat. Dort wandten sich Dutzende Frauen an sie, die sexuelle Übergriffe durch Errejón erlebt hatten. Der Linkspolitiker ist laut Fallarás nur die »Spitze des Eisbergs«, sie wisse auch von Vorwürfen gegen Politiker anderer Parteien wie auch gegen Führungskräfte an Universitäten oder Gymnasien. Ob sich die Betroffenen jedoch trauen, Anzeige zu erstatten, kann die Journalistin nach eigenen Aussagen nicht sagen: Denn jene, die Taten öffentlich machen, werden derzeit medial »gelyncht«.

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