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Aus: Ausgabe vom 09.11.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Polen

Quälender Vorwahlkampf

Polens Parteien überlegen, wen sie am besten als Präsidentschaftskandidaten aufstellen
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
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Die eigenen Kriterien für einen Präsidentschaftskandidaten treffen auf ihn nicht zu: PiS-Chef Jarosław Kaczyński (14.9.2024)

PiS-Chef Jarosław Kaczyński hat schon vor einigen Monaten ausgesprochen, wie der ideale Präsidentschaftskandidat aussehen sollte: Er solle männlich sein, Familie haben, gut aussehen und mindestens eine Fremdsprache beherrschen. Damit war immerhin eines klar: Kaczyński kandidiert nicht, denn bis auf das männliche Geschlecht erfüllt er kein einziges dieser Kriterien. Auch der aktuelle Amtsinhaber Andrzej Duda wäre vermutlich nicht in die engere Wahl gekommen, denn über sein Englisch kreisen in Polen zahllose Witze.

Darüber, wer Duda nach dem Ablauf seiner zweiten Amtszeit nachfolgen soll, ist in der PiS ein verbissener Kampf hinter den Kulissen ausgebrochen. Eine parteiinterne Vorwahl hat Kaczyński ausgeschlossen, um diese Differenzen nicht offen aufbrechen zu lassen. Ambitionen haben der frühere Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, der dem eher pragmatischen Parteiflügel zugerechnet wird, der frühere Erziehungsminister Przemysław Czarnek, ein Fundamentalist von der Katholischen Universität Lublin, der sich gern als »polnischer Trump« feiern lässt, der EU-Abgeordnete Patryk Jaki vom Flügel des einstigen Justizministers Zbigniew Ziobro und – als Kaninchen aus dem Hut – der bei der Wahl des Oberbürgermeisters von Warschau im Frühjahr gescheiterte und ins EU-Parlament gewechselte Tomasz Bocheński. Bis zum Jahresende will die PiS entschieden haben, vielleicht wird die Nominierung aber auch schon im Umkreis des am Montag bevorstehenden polnischen Unabhängigkeitstages bekanntgegeben.

Auf seiten der »Bürgerkoalition« von Donald Tusk stehen sich zwei potentielle Kandidaten gegenüber. Als Favorit gilt der amtierende Oberbürgermeister von Warschau, Rafał Trzaskowski, aber in letzter Zeit macht mit wachsender Intensität auch Außenminister Radosław Sikorski auf seine Ambitionen aufmerksam. Er vertritt einen sogar nach polnischen Maßstäben radikal antirussischen Kurs, will »Putin das Fürchten lehren« und sieht seine Kandidatur offenkundig im Einklang mit dem Ergebnis der Präsidentenwahlen in den USA. Nicht zufällig machte er nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses auf X auf seine »guten Arbeitskontakte« zu beiden großen Parteien in den USA aufmerksam. Allerdings ist er mit der US-stämmigen Journalistin Anne Applebaum verheiratet, die aus ihrer Sympathie für Kamala Harris keinen Hehl gemacht hat.

Sikorskis Rivale Trzaskowski steht für den linksliberalen Flügel der »Bürgerkoalition«. Als OB von Warschau hat er die Hauptstadt auch kulturell modernisiert, er ist offen gegenüber Minderheiten und in Warschau mit Erfolg wiedergewählt worden. Seine erste Kandidatur gegen Duda hat er 2019 nur äußerst knapp verloren. Sein Englisch ist perfekt – er hat als Dolmetscher gearbeitet –, sehen lassen kann er sich auch; allerdings könnte ihm sein allzu großstädtisches Image in der polnischen Provinz auf die Füße fallen. Aus diesem Grund tourt er aktuell durchs Land und testet bei »Town Hall Meetings« in Kleinstädten, wie er dort ankommt.

Auf seiten der Linken geht es nur um eine Zählkandidatur. Trotz fehlender Erfolgschancen sind vor allem zwei Frauen interessiert: Familien- und Sozialministerin Agnieszka Dziemianowicz-Bąk und die Vizepräsidentin des Senats, Magdalena Biejat.

Der Ausgang der Präsidentenwahl ist entscheidend dafür, ob die Tusk-Regierung ihre Wahlversprechungen wahr machen kann. Denn mit einem Staatschef aus den Reihen der PiS würde der politische Stillstand in Polen weitergehen, weil der Präsident jedes Reformvorhaben der Regierung per Veto stoppen kann. Nicht »geliefert« zu haben könnte aber das junge, großstädtische und weibliche Publikum davon abhalten, Tusk eine zweite Chance zu geben.

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