Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 09.11.2024, Seite 4 / Inland
Ampel am Ende

Party am Grab der Ampel

Nach Zerfall der Koalition: Scholz deutet Gesprächsbereitschaft bei Neuwahltermin an. Opposition macht weiter Druck bei Vertrauensfrage
Von Kristian Stemmler
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Regisseur beim »demokratischen Fest«? Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag in Budapest

Der Druck, die nach dem Zerfall der Ampelkoalition fälligen Neuwahlen möglichst schnell durchzupeitschen, ist erheblich. Ob Olaf Scholz seine Absicht, erst im Januar im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, um so im März zu Neuwahlen zu kommen, in die Tat umsetzen kann, ist inzwischen fraglich. Das sieht der Bundeskanzler offenbar auch selbst so: Am Freitag deutete er am Rande des informellen EU-Gipfels in Budapest Gesprächsbereitschaft über den Zeitpunkt des Wahltermins an. Erwünscht wäre es Scholz zufolge aber, wenn im Bundestag »unter den demokratischen Fraktionen eine Verständigung darüber erreicht wird, welche Gesetze noch in diesem Jahr beschlossen werden können«. Im Rahmen einer solchen Verständigung könne dann auch die Frage beantwortet werden, »welcher Zeitpunkt dann der Richtige ist, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, auch im Hinblick auf den möglichen Neuwahltermin«. Die Neuwahl nannte er ein »großes demokratisches Fest«, und das »gelingt am besten, wenn alle gemeinsam zur Party schreiten«.

Die Frage, wann genau die angekündigten Neuwahlen stattfinden sollen, war am Freitag wenige Stunden vor der Wortmeldung von Scholz auch Hauptstreitpunkt in einer aktuellen Stunde im Bundestag. SPD und Bündnis 90/Die Grünen verteidigten vehement den Zeitplan von Scholz, am 15. Januar die Vertrauensfrage zu stellen, damit im März gewählt werden kann. Union, AfD und FDP forderten umgekehrt, dass Scholz den Weg so schnell wie möglich frei macht, damit die Wahl noch im Januar über die Bühne gehen kann. Ansonsten war die Debatte weithin geprägt von den für Bundestagsdebatten charakteristischen Phrasen.

Als »Lame duck«, lahme Ente, bezeichnete Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, den Bundeskanzler – eine in den USA übliche Umschreibung eines handlungsunfähigen Präsidenten. Das Land brauche Neuwahlen – jetzt. Frei warf dem Kanzler vor, die FDP zum »Sündenbock« für das Aus der Ampel zu machen und kritisierte den Stil des Rauswurfs von Finanzminister Christian Lindner (FDP): »Unwürdiger geht es für einen Bundeskanzler nicht.« Der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann erklärte, die Ampel sei »nur noch eine Fußgängerampel« und »Rot-Grün« habe »das Land in Geiselhaft«. Die CDU-Abgeordnete Ottilie Klein befand, die SPD regiere an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei, die Grünen seien eine »Wachstumskillerpartei«. Klein: »Mit Wärmepumpen und Doppel-Wumms ist kein Staat zu machen.« Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr forderte seine ehemaligen Koalitionspartner auf, zeitnah für Neuwahlen zu sorgen. Die Rumpfkoalition habe keine Mehrheit mehr. Dürrs Parteifreund Lukas Köhler verteidigte Lindners Beharren auf der Schuldenbremse. Schulden seien nicht dafür da, »sozialpolitische Träume« zu verwirklichen. Auch er plädierte für schnelle Neuwahlen: Es brauche jetzt »eine Richtungsentscheidung und kein Gewürge mehr«.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese warnte dagegen vor einer überstürzten Neuwahl mit einem Wahlkampf im Winter, der nicht im Sinne der Bürger sei: »Niemand möchte, dass jemand an Weihnachten an seiner Haustür klingelt und Wahlkampf macht.« Mit der Forderung nach früheren Neuwahlen sollten Zweifel in die demokratischen Institutionen geschürt werden. »Das lassen wir als SPD-Bundestagsfraktion nicht zu«, so Wiese. Irene Mihalic (Grüne) sprang ihm bei. »Ihr permanenter Ruf nach Neuwahlen ist ein permanentes Misstrauensvotum gegen die Demokratie«, sagte sie. Die Bundesregierung wolle das Land nicht dem Chaos überlassen, sondern einen geordneten Übergang gestalten. Der BSW-Abgeordnete Klaus Ernst begrüßte, dass es Neuwahlen gibt. Allerdings wolle die CDU »noch ein bisschen mehr Krieg«. Das sei »keine Alternative für das Land«.

CDU-Chef Friedrich Merz warf unterdessen Scholz nach einer Sondersitzung der Unionsfraktion vor, bei seinem Zeitplan stünden »offensichtlich parteipolitische Motive im Vordergrund«. Seine Vermutung sei, dass der Kanzler versuchen wolle, jetzt noch Abstimmungen im Bundestag durchzuführen, die er für den Wahlkampf der SPD ausnutzen könne. Der Kanzler solle seine Regierungserklärung am Mittwoch mit der Vertrauensfrage verbinden. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, die Union werde »die herabfallenden Trümmer der Ampel nicht auffangen, sondern wir werden unsere Entscheidungen treffen nach einer Bundestagswahl«.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte CDU und CSU auf der Linie von Scholz auf, gemeinsam mit SPD und Grünen noch wichtige Gesetze vor Neuwahlen zu verabschieden. Die Union baue »wieder einen Popanz auf«, indem sie im Moment nur über den Termin für die anstehende Vertrauensfrage und Neuwahl reden wolle. Das interessiere die Bürger »überhaupt nicht«. Familien und Beschäftigte wollten vielmehr wissen, ob das Kindergeld steige, wie es mit dem Deutschland-Ticket weitergehe und ob der Staat energieintensive Unternehmen mit neuen Hilfen unterstütze.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (10. November 2024 um 14:14 Uhr)
    Die Botschaft von Scholz an die Union ist klar: Ein verfrühter Wahltermin würde wichtige Gesetzesvorhaben und soziale Reformen gefährden, auf die sozial gesinnten Wahlbürgerinnen und Bürger angewiesen sind. Dabei scheint Scholz auf eine politische Verantwortung der Union zu setzen, die über die parteipolitische Auseinandersetzung hinausgeht. Zugleich warnt Scholz implizit vor den Risiken einer instabilen Demokratie. Die aktuelle Situation könnte, wenn handlungsfähige demokratische Strukturen ins Wanken geraten, extremistischen Kräften Raum zur Profilierung geben. Damit lenkt Scholz den Druck auf die Unionsparteien, indem er sie in eine Zwickmühle bringt: Stimmt die Union zu und unterstützt das legislative Vorhaben, trägt sie zur Handlungsfähigkeit der Demokratie bei. Verweigert sie jedoch die Zusammenarbeit, läuft sie Gefahr, als Blockierer dringend benötigter Reformen wahrgenommen zu werden. Scholz’ Strategie könnte also darauf abzielen, die Unionsparteien nicht nur zur Kooperation zu bewegen, sondern sie zugleich moralisch unter Druck zu setzen.

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