Kein Pogrom
Von Gerrit HoekmanDie israelische Regierung spricht von einem »Pogrom« und macht die Niederlande für die Sicherheit ihrer Staatsbürger voll verantwortlich. Nach dem Europapokalspiel Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv am Donnerstag abend sind im Zentrum der niederländischen Hauptstadt Fans des israelischen Fußballklubs und propalästinensische Gruppen aneinandergeraten. Auf online verbreiteten Videos ist zu sehen, wie am Boden liegende Menschen geschlagen und getreten werden. Ob es sich dabei um Israelis handelt, ist nicht zu erkennen. Laut israelischen Medien sollen zehn Maccabi-Fans verletzt worden sein, nach ersten Berichten über vermisste Israelis teilte das israelische Außenministerium mit, dass der Kontakt zu allen Staatsbürgern in der Stadt wiederhergestellt sei. Zwei Flugzeuge wurden zur Evakuierung geschickt, das erste landete am Freitag nachmittag auf dem Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv.
Eigentlich war eine propalästinensische Demonstration vor dem Stadion geplant, auf der der Ausschluss aller israelischen Vereine von europäischen Wettbewerben gefordert werden sollte. Die Amsterdamer Bürgermeisterin verlegte die Kundgebung auf einen Platz, der gut einen Kilometer vom Stadion entfernt ist. Dort versammelten sich laut der öffentlich-rechtlichen NOS 300 Menschen. Einige von ihnen versuchten trotz Verbots, zum Stadion vorzudringen, und lieferten sich dabei Scharmützel mit der Polizei. Die Demonstrierenden riefen propalästinensische Parolen in Richtung der israelischen Fans. Dass antijüdische Parolen gerufen wurden, ist nicht bekannt.
Die meisten der insgesamt 3.000 angereisten Maccabi-Fans waren keine harmlosen Fußballfreunde, sondern ultrarechte Ultras – andere sagen Hooligans –, die durchaus kampferprobt sind. Im Laufe des Donnerstags hatte die Polizei bereits etwa zehn Anhänger aus Tel Aviv festgenommen, weil sie verbotene Feuerwerkskörper bei sich trugen, berichtete AFP. Sie waren demnach zuvor im Zentrum der Stadt mit der Polizei zusammengestoßen. Auf einem von Reuters verifizierten Video war zu sehen, wie Maccabi-Fans im Vorfeld des Spiels Fackeln zündeten und in Anspielung auf die israelische Armee skandierten: »Olé, olé, lass die IDF gewinnen, wir werden die Araber ficken.« Auch in der Nacht zu Donnerstag habe es laut Polizei bereits »Vorfälle auf beiden Seiten« gegeben. Demnach rissen Maccabi-Fans eine palästinensische Flagge nieder und zerstörten ein Taxi. Zudem sei eine Flagge Palästinas auf einer zentralen Straße verbrannt worden.
Der niederländische Premierminister Dick Schoof verurteilte die »inakzeptablen antisemitischen Angriffe auf Israelis«. Er habe bereits seinem Amtskollegen Benjamin Netanjahu persönlich versichert, dass »die Täter aufgespürt und strafrechtlich verfolgt werden«. Der ultrarechte Politiker Geert Wilders schrieb auf X: »Ein Pogrom in den Straßen von Amsterdam. (…) Muslime mit palästinensischen Flaggen jagen Juden.« Er wollte noch am Freitag mit dem israelischen Außenminister Gideon Saar und Knesset-Präsident Amir Ohana zusammentreffen, die nach Angaben der niederländischen Agentur ANP nach Amsterdam fliegen wollten, nachdem Bürgermeisterin Femke Halsema von »antisemitischen Killerkommandos« gesprochen hatte. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, erklärte auf X. »Die Hatz auf Juden ist wieder ausgebrochen – das waren keine Krawalle unter Fangruppen.« Es sei ein »Armutszeugnis, dass Juden und Israelis in Westeuropa nicht mehr sicher sein können«.
Die Maccabi-Ultras gehören zu den rassistischen Fangruppen in Israel. Sie unterstützen voll und ganz die Politik des Kabinetts Netanjahu. Auf einem längeren Video auf dem Youtube-Kanal »PI ALFA« ist zu sehen und zu hören, wie sie in der Amsterdamer City jeden schwarzen Passanten mit Affengrunzen beleidigten. Die Ultras von Maccabi sind auch in der israelischen Liga berüchtigt. Friedlich waren diese Anhänger ganz sicher nicht. Aufgrund der Angriffe untersagte die israelische Armee allen Soldatinnen und Soldaten des Landes Reisen in die Niederlande.
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