The Golden Age of America
Von Holger Teschke»Sie sind stärker …, sie sind reich …, sie dingen und entlassen die Politiker die Zeitungsherausgeber die alten Gerichtspräsidenten die Universitätsrektoren die Parteibonzen …, sie dingen die Bewaffneten, sie mieten die Uniformen die Polizeiautos die Überfallwagen …, gut ihr habt gesiegt …, es bleibt nichts mehr zu tun …, wir sind geschlagen …, ihre gedungenen Handlanger sitzen zu Gericht, lümmeln unter der Kuppel des Staatsparlaments die Füße auf dem Tisch, sie kennen nicht unsere Überzeugungen, sie haben die Dollars, die Gewehre, die bewaffneten Truppen …, sie haben den elektrischen Stuhl konstruiert und den Henker gedungen, der den Schalter bedient …, gut wir sind zwei Nationen.«
So klingt der Chor der auseinandergejagten Protestierenden im Kapitel »Kameraauge 50« in John Dos Passos’ Roman »Das große Geld«, dem dritten Band seiner Trilogie »USA«, die zwischen 1930 und 1936 erschien. Deren Prosamontagen aus traditionellen Erzählungen sowie Wochenschauzitaten und Momentaufnahmen eines Kameraauges erinnern an die Montagetechniken von Sergej Eisenstein und John Heartfield. Die drei Bände standen schon seit fast zwanzig Jahren ungelesen in meinem Bücherregal. Als ich eine Einladung für eine Gastprofessur an der New York University bekam, packte ich sie im Januar 2000 in meinen Koffer, weil mich Dos Passos’ Roman »Manhattan Transfer« schon 1989 auf meiner ersten USA-Reise begleitet und begeistert hatte. Sinclair Lewis, der erste Nobelpreisträger für Literatur der USA, hatte die Prosa von Dos Passos über die von Marcel Proust und James Joyce gestellt, und ich hoffte, die Trilogie würde mir ein paar tiefere Einsichten in die Geschichte meines Gastlandes vermitteln. Ich wurde nicht enttäuscht. Nach den Seminaren und Proben saß ich in langen Nächten in meinem Apartment am Washington Square und holte mir nach dem »42. Breitengrad« die beiden anderen Bände in der Originalsprache aus der Bibliothek der Universität.
400 Millionen Steuernachlass
Ich las, wie das große Geld schon in den »Roaring Twenties« mit Hilfe von Lobbyorganisationen, Korruption und manipulierten Gerichtsverfahren seinen Einfluss auf Staat und Gesellschaft so weit ausdehnte, dass es sowohl auf die Legislative wie die Exekutive der USA entscheidenden Einfluss nehmen konnte. Wenn dieser Einfluss durch allzu große Korruptionsskandale oder Pleiten an die Öffentlichkeit kam, wurden ein paar Sündenböcke geopfert, und die betroffenen Politiker gelobten umfassende Aufklärung, die natürlich niemals stattfand. Einer der Politiker aus dieser Tradition war der New Yorker Bürgermeister Abraham D. Beame, ein Freund von Donald Trumps Vater Fred, der mit seiner letzten Amtshandlung dafür sorgte, dass Trump Junior 1977 für seine Immobilienunternehmen eine Steuerbefreiung bekam, die ihm nach einem Untersuchungsbericht bis zum Jahr 2017 über 400 Millionen US-Dollar an Steuern ersparte. Zehn Jahre später veröffentlichte Trump sein mit Tony Schwartz verfasstes Buch »The Art of the Deal« (deutsch unter dem Titel: Die Kunst des Erfolges).
Abraham D. Beame war Demokrat und sorgte als Bürgermeister zwischen 1974 und 1977 für Massenentlassungen in der Stadtverwaltung von New York City, für die drastische Reduzierung von Krankenhausbetten und die Einführung von Studiengebühren an der City University. Als es in der Bronx angesichts dieser Sparpolitik zu Unruhen kam, wurde Beame von seinem innerparteilichen Rivalen Ed Koch abgelöst, der »Prosperity and Peace« für die Stadt versprach. Diese Geschichte von einer Steuerbefreiung als Wirtschaftsförderung hätte auch in Dos Passos’ »Das große Geld« stehen können.
Ich war auf dieses Werk übrigens durch eine Notiz in Bertolt Brechts »Journal« gestoßen, in dem er im August 1938 über einen Essay von Georg Lukács spottete und sich mit Dos Passos in die verfemte Reihe der »Dekadenz« stellte. Weil ein wesentlicher Teil des Journals Brechts Exiljahre in den USA zwischen 1941 und 1947 betrifft, hatte ich auch dieses Buch im Gepäck. Der amerikanische Teil beginnt mit einem Zeitungsausschnitt, der Erastus Fields Gemälde »Historical Monument of the American Republic« von 1888 zeigt, das heute im Museum of Fine Arts in Springfield, Massachusetts, hängt. Es zeigt eine Skyline aus Wolkenkratzertürmen, die mit römischen Reliefsäulen geschmückt sind, auf denen Episoden aus der US-amerikanischen Geschichte zu sehen sind. Der monumentale Turm in der Mitte des Bildes zeigt Abraham Lincoln und Szenen aus dem Bürgerkrieg von 1860 bis 1865. Als Field sein Gemälde begann, war der Bürgerkrieg beendet, und die Zeit der »Reconstruction« und des Wirtschaftsaufschwungs im Norden hatte begonnen.
Die Türme auf dem Bild von Erastus Field sind durch eine kühne Eisenbahnkonstruktion verbunden, auf der die Besucher himmelhoch über das Monument fahren können. Die USA als das neue Römische Reich, Weltherrschaft per Dampf und Schiene, Aufbruch in den »Wilden Westen« durch die Weite der Prärien auf den Gleisen der Pacific Railroad. Und an ihren Bahndämmen die Kadaver der Büffelherden, die man massakrierte, um die Ureinwohner des Landes auszuhungern.
Fields Gemälde ist ein Werk aus der Zeit des »vergoldeten Zeitalters« zwischen 1865 und 1890. Der Begriff wurde von Mark Twain geprägt, der 1873 gemeinsam mit Charles D. Warner ein Buch mit dem gleichen Titel verfasst hatte: »The Gilded Age. A Tale of Today« (»Das vergoldete Zeitalter. Eine Geschichte von heute«). Der Historiker Vernon Louis Parrington hat den Geist dieser Zeit in seinem Werk »Main Currents in American Thought« (»Hauptströmungen im amerikanischen Denken«) schon 1927 auf den Punkt gebracht: »Es war eine anarchistische Welt starker Männer, selbstsüchtig, unaufgeklärt, unmoralisch – ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, was die Natur des Menschen mit unbeschränkter Freiheit anfängt.«
Ohne Gesetze und Gerichte
Daran musste ich denken, als Donald Trump in seiner Siegesrede am Wahlabend in Palm Beach verkündete, dass nunmehr das »Golden Age of America« anbrechen würde. Nach dem römischen Dichter Ovid war das Goldene Zeitalter jenes glückliche Säkulum, in dem es keine Gerichte und keine Gesetze gab. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Trump Ovid gelesen hatte, aber diese Idee würde ihm gefallen. Das Goldene Zeitalter war nach Ovid auch jene Zeit, in der es Gold und Genüsse im Überfluss gab. Wer einmal im Trump Tower in Manhattan war, der weiß, wie sein Erbauer sich das Paradies vorstellt.
Das »Gilded Age« war aber auch die Zeit der großen US-Oligarchen wie Andrew Carnegie, John D. Rockefeller, J. P. Morgan und Cornelius Vanderbilt sowie Politikern wie dem demokratischen Tycoon William M. Tweed oder dem republikanischen Senator Mark Hanna. Auch sie hielten nicht viel von Gesetzen und Gerichten und handelten meist nach ihren eigenen. Ein solches »Golden Age« muss Trump-Anhängern wie Jeff Bezos oder Elon Musk wie der Himmel auf Erden vorkommen. Wenn europäische Politiker und Journalisten heute so tun, als wäre das in den USA etwas Noch-niemals-Dagewesenes, dann sind das die üblichen Nebelkerzen, die immer dann gezündet werden, wenn dem Kapitalismus die Maske verrutscht. Donald Trump, seine Freunde und Förderer stehen in einer langen Reihe von Oligarchen, die man früher in der Geschichtsschreibung weniger vornehm die »Räuberbarone« nannte.
Das hätte jeder und jede wissen können, wenn er oder sie ein bisschen lesen würden. Aber Lesen kommt in der Politik zunehmend aus der Mode, man hat ja schon mit X und Tik Tok genug zu tun. Robert Habeck hat gerade bei X verkündet: »Back for Good«. Als wäre der verlorene Sohn in den Schoß der digitalen Kirche zurückgekehrt. Der Kirche jenes Mannes, der Trump mit zu seinem Comeback verholfen und vor dem Habeck schon in Grünheide seine Verbeugung gemacht hat.
Als ich Erastus Fields Gemälde zum ersten Mal im Museum von Springfield sah, war ich von seiner Form und der Fülle der Details überwältigt. Der Maler aus Leverett, Massachusetts, wird von der Kunstgeschichte in die lange Reihe der »American Folk Painters« gestellt, Autodidakten, die sich zumeist Porträts, Bibelszenen und Landschaftsmalerei widmen. Dieses Bild zeigt den amerikanischen Traum in seiner Hybris und mit all seinen Schattenseiten. Es erinnert aber auch an Abraham Lincolns Ausspruch: »You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you can not fool all of the people all of the time.«
Brecht muss selbst noch von der schlechten und verkleinerten Schwarzweißreproduktion des Bildes so beeindruckt gewesen sein, dass er sie als Vorhang vor die Bühne seines Journals hängte. Denn eine Art episches Theater ist dieses Arbeitstagebuch, das eine Montage ist aus Fotografien, Zeitungsausschnitten und Reflexionen über seine Erfahrungen in Hollywood und mit den Emigrantenkreisen in Kalifornien und New York sowie Notaten zu seinen Stücken und Bearbeitungen. Das Journal war, in Ermangelung einer eigenen Bühne, Brechts Papiertheater. Erst durch das Studium in New York begriff ich, dass es vielleicht das modernste und mutigste seiner Kunstwerke ist.
Aber es ist auch ein einzigartiges Zeitdokument über die USA der 1940er Jahre, das sowohl die Ereignisse vor dem Kriegseintritt im Dezember 1941 vergegenwärtigt als auch den Beginn der Joseph-McCarthy-Ära ab 1947. Der Senator aus Wisconsin hatte schon zu Beginn seiner Jagd auf angebliche Kommunisten in Regierung und Kunst der USA erklärt: »Wir befinden uns seit einiger Zeit im Krieg mit Russland, und Russland ist dabei, diesen Krieg zu gewinnen. Schneller, als uns das gegen Ende des letzten Krieges gelang – weswegen wir diesen verlieren werden.« Mit dieser Drohung gelang es ihm, ein bis dahin noch nie dagewesenes Diffamierungs- und Denunziationssystem zu organisieren, das zum größten Teil auf Verschwörungstheorien und Lügen basierte.
»Commu-Nazis«
Im Juni 1950 stellte sich ihm Margaret Chase Smith, republikanische Senatorin für Maine und die erste Frau, die in beiden Kammern des Kongresses gewählt worden war, mit den Worten entgegen: »Ich möchte die republikanische Partei nicht mit den vier apokalyptischen Reitern der Verleumdung – Furcht, Unwissenheit, Fanatismus und Verunglimpfung – zum politischen Sieg reiten sehen.« Solche Stimmen sucht man bei den heutigen Republikanern vergebens. Erst als sich McCarthy 1953 mit der US-Army anlegte und der Fernsehmoderator Ed Murrow ihn bei CBS mit seinen Machenschaften konfrontierte, begann sein politisches Ende.
Brechts Einsichten über diese Abgründe innerhalb der US-amerikanischen Demokratie brachte er einige Jahre später auf einen dialektischen Punkt: »Diktaturen verschleiern den ökonomischen Charakter der Gewalt, Demokratien den Gewaltcharakter der Ökonomie. Politische Freiheit bei ökonomischer Unfreiheit ist ein Witz.« Nach seiner Anhörung vor dem House Committee on Un-American Activities (HCUA) in Washington, D. C. am 30. Oktober 1947 schrieb er in sein Journal: »ich gebe zu, dass die grundlage meiner stücke marxistisch ist und stelle fest, dass stücke, besonders historischen inhalts, anderswie nicht intelligent geschrieben werden können. das verhör ist unverhältnismäßig höflich und endet ohne anklage.«
Bei den heutigen Nachfolgern der republikanischen HCUA-Ankläger würde Brecht nicht mehr so glimpflich davonkommen. Für sie sind sämtliche bekennenden Marxisten »Commu-Nazis«, ein Begriff, der übrigens schon 1939 von einem US-Journalisten nach dem Hitler-Stalin-Pakt geprägt wurde. Heute wäre Brecht deswegen wohl auch ein »Agent Putins«. Der Antikommunismus, nach Thomas Mann die »Grundtorheit unserer Epoche«, treibt auch in Europa inzwischen wieder die schillerndsten Blüten. Auch deswegen ist die Lektüre des Journals zum Verständnis der gegenwärtigen amerikanischen und deutschen Verhältnisse absolut empfehlenswert.
»Wir sind von der Barbarei durch Jahrhunderte getrennt – und durch einen Schritt«, heißt es in Sinclair Lewis’ satirischem Roman »Das ist bei uns nicht möglich«. »Der Firnis der Bildung, der guten Manieren und der Toleranz ist dünn. Ein paar tausend Granaten und Gasbomben genügen, um unsere lebensfrohe Jugend wegzuwischen, alte Bibliotheken und historische Archive, alle Patentämter und Labors – jeden Speicher des Wissens.« Donald Trump und seine Freunde hätten damit, abgesehen von Patentämtern und Labors, wahrscheinlich kein Problem.
Sinclair Lewis’ Politsatire erzählt die Geschichte vom Aufstieg des Buzz Windrip, den seine Gegner immer wieder öffentlich als einen ungebildeten Populisten und notorischen Lügner entlarven. Dennoch gelingt ihm der Weg ins Weiße Haus, weil er seinen Anhängern verspricht, ihre Sehnsucht nach »Prosperity and Peace« zu erfüllen und sich für sie an den korrupten Eliten in Washington zu rächen. Das Buch wurde nach seinem Erscheinen 1935 ein Bestseller, wahrscheinlich auch, weil die Erinnerungen an den demokratischen Politiker Huey P. Long noch frisch waren. Der war mit einer aggressiven Kampagne gegen die Wiederwahl von Franklin D. Roosevelt angetreten und im September 1935 einem Attentat zum Opfer gefallen. Er diente Sinclair Lewis als Vorbild für die Figur Windrips, den er an einer Stelle sagen lässt: »Ich behaupte nicht, eine große Bildung zu besitzen, ausgenommen vielleicht Herzensbildung und die Fähigkeit, die Sorgen und Ängste eines jeden Mitmenschen zu verstehen. Und ich habe die Bibel gelesen.« Donald Trump konnte auf Nachfrage zwar nicht einen einzigen Bibelvers zitieren, aber es reichte, dass er beteuerte, das Alte Testament genauso zu lieben wie das Neue. Das Alte vielleicht sogar etwas mehr, denn da geht es oft um »Auge um Auge, Zahn um Zahn«.
»Prosperity and Peace«
Viel wichtiger aber war Trumps Versprechen, sich in Washington um die Sorgen und Ängste der Menschen zu kümmern. Und die bestehen bei der Mehrheit der Menschen in den USA nun mal nicht in erster Linie in Waffenhilfe für die Ukraine oder Minderheitenrechten, sondern in »Prosperity and Peace«. Eine Freundin, mit der ich nach der Wahl in Massachusetts telefonierte und die in den letzten Tagen Wahlkampf von Tür zu Tür in New Hampshire gemacht hatte, erzählte mir, dass sie diese Worte wieder und wieder gehört hat. Sicher hat Kamala Harris ihre Niederlage auch Joe Bidens Starrsinn und ihrem vagen Wahlprogramm zu verdanken. Aber eine wesentliche Ursache war und ist die Vernachlässigung der Ängste und Sorgen der »Blue Collar People«, die im reichsten Land der Erde selbst mit drei schlechtbezahlten Jobs kaum noch über die Runden kommen. Auf der Klaviatur dieser Ängste gespielt zu haben und die Sprache ihrer Sorgen gesprochen zu haben, hat Trumps Triumph ermöglicht. Sich über die Schlichtheit dieser Sprache und ihrer Parolen lustig zu machen, offenbart die Arroganz, an der schon Hillary Clinton 2016 scheiterte, als sie die Anhänger Trumps öffentlich für »bedauernswert« befand. Es ist die gleiche Arroganz, mit der »den Ostdeutschen« nach den Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen in Leitartikeln und Kommentaren begegnet wurde und wird.
»It Can’t Happen Here« lautet der Originaltitel von Sinclair Lewis’ Roman. Für die kommenden Wahlen in Europa kann man nur sagen: »Yes, it can.«
Das »vergoldete Zeitalter« war ironischerweise auch die Zeit der großen Immigration, in der über zehn Millionen Menschen aus Europa in die USA einwanderten. Viele von ihnen kamen auf Ellis Island an, wo sich seit 1890 die zentrale Einwanderungsbehörde der Ostküste befand. Seit 1886 begrüßte dort die Statue of Liberty die Ankommenden mit ihrer strahlenden Fackel und den trostreichen Worten von Emma Lazarus: »Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die frei atmen wollen, eure Heimatlosen und vom Sturm Vertriebenen. Hoch halte ich mein Licht am Goldenen Tor.«
Mit dem Schwert
In Franz Kafkas Romanfragment »Amerika« von 1913 hält sie etwas ganz anderes in ihrer rechten Hand: »Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor, und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.« Die Freiheit Amerikas ist ein zweischneidiges Schwert, und Kafkas Protagonist Karl Roßmann wird das auf seiner Irrfahrt durch Gottes eigenes Land erfahren. Bezeichnend übrigens, dass bis heute in Politik und Presse immer noch von »Amerika« gesprochen wird, wenn die USA gemeint sind. Als wäre es selbstverständlich, dass der Hegemon über den ganzen Kontinent herrscht, als gäbe es kein Latein- und Mittelamerika, als wären sie noch immer der »Hinterhof der Vereinigten Staaten«.
»Die Gegenwart ist die Zeit der Industrienationen, die kommende Geschichte wird, das ist zu hoffen, von ihnen nicht gemacht«, schrieb Heiner Müller in einem Text über Brecht und Kafka 1979. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, und auch die BRICS-Staaten, denen inzwischen mit der gleichen Arroganz begegnet wird, wenn sie nicht den Ansagen aus Washington und Brüssel folgen wollen, sehen ihre Zukunft in der Wachstumsideologie des Westens. Dort aber formiert sich eine Allianz aus Kapital und Fundamentalismus, ein Bündnis, zu dem sich jetzt auch die Tech-Oligarchen und die multinationalen Fonds einfinden. Heiner Müller hat 1989 in einem Gespräch mit Frank Raddatz auf die Wurzeln dieser Allianz hingewiesen: »Von allen Fundamentalismen ist der US-amerikanische der gefährlichste. Die Amerikaner glauben doch wirklich, dass sie in ›God’s Own Country’ leben. Das ist grundlegend für die amerikanische Politik, die ihre Wurzeln im Puritanismus hat. Deswegen fühlen sie sich immer im Recht. Sie sind die Freiheit, und die Freiheit muss mit allen Mitteln verteidigt werden.«
Auch dieses Gefühl hat Donald Trump immer wieder erfolgreich angesprochen. Dem hatten die Demokraten wenig entgegenzusetzen. Die neuen Puritaner, die sich auch in Europa mit den neuen Technologien verbinden, haben das Erfolgsrezept dieser Allianz begriffen und werden es mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und (a)sozialen Medien perfektionieren. Die Feindbilder werden geschärft, die Waffenarsenale in den laufenden Kriegen geräumt, um Platz zu machen für die neuesten Hightechsysteme. Der amerikanische Traum ist ausgeträumt, auch für Europa. Die Freiheitsgöttin zeigt ihr Schwert und das Goldene Zeitalter wird sich als das Eiserne erweisen: »Zurück wird bleiben der sterblichen Menschen düsterer Jammer und Hilfe sich nirgends zeigen im Elend der Welt.«
Holger Teschke wurde 1958 auf Rügen geboren und arbeitet als Autor und Dramaturg in Berlin und Sassnitz. Von 2000 bis 2010 unterrichtete er als Gastprofessor für Dramaturgie und Regie in den USA, unter anderem an der New York University und am Mount Holyoke College. Seine Erfahrungen aus dieser Zeit hat er in dem Reisebuch »Mein Cape Cod. Eine transatlantische Liebeserklärung« (2015) veröffentlicht. Zuletzt schrieb Holger Teschke an dieser Stelle am 9. September 2024 über Joseph Conrads »Herz der Finsternis«
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (12. November 2024 um 09:42 Uhr)»Bezeichnend übrigens, dass bis heute in Politik und Presse immer noch von ›Amerika‹ gesprochen wird, wenn die USA gemeint sind.« Zwischen 1949 und 1990 galt auch die BRD im westdeutschen Sprachgebrauch als »Deutschland«. Und heute verwechselt man mit dem gleichen arroganten Alleinvertretungsanspruch die EU mit Europa unter Ausklammerung der Hälfte des Kontinents bis zum Ural. Leider war für russische Europäer im gemeinsamen Haus kein Platz mehr, weil sich dort seit 80 Jahren Gäste aus Nordamerika breit gemacht haben, die keine Miete zahlen, sondern die Finanzierung ihres Aufenthaltes fordern sowie »Schutzgeld« in Form der erzwungenen Käufe von Rüstungsgütern. Interessant ist es, wie Trump einem Gesprächspartner in unnachahmlicher Ehrlichkeit die Hand gibt. Mehr braucht man nicht, um festzustellen, wer die USA sind bzw. wer Trump ist. Da geben sich nicht etwa zwei gleichberechtigte Seiten in gleicher Weise die Hand (beide in halbschräger Handstellung, also in der gleichen, gerechten Ausgangsposition).Trump ergreift die Hand des Gesprächspartners von unten. Seine ist geöffnet mit einer Geste, die fordert: »Zahlen!« Der »Partner« kann nun seinerseits nicht gleichberechtigt in derselben Art wie Trump seine Hand aufhalten. Das wäre unhöflich. Dann käme kein Händedruck (kein »Deal«) zustande. Er ist gezwungen, seine Hand von oben (bzw. sein Schicksal oder sich selbst) in die Hand von Trump zu legen. Trump nimmt. Der Partner gibt. Wäre vorher etwas in seiner Hand gewesen, dann müsste er bei dieser Art von Handstellung diesen Besitz in die Hand von Trump bzw. den USA fallen lassen. Armes Deutschland. Es gibt aber auch Gesprächspartner von Trump, welche die übliche, halb schräge Handstellung bei der Begrüßung beibehalten und sich so eine gewisse Eigenständigkeit bewahren. Diese Hand wird dennoch von unten (aus dem Untergrund) ergriffen und zu sich herangezogen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (10. November 2024 um 16:22 Uhr)»Prosperity and Peace«? Wohl eher »Prosperity and Peacemaker«, ob als Colt .45 und/oder DC Extended Universe …
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