Aus Leserbriefen an die Redaktion
Ergänzungen
Zu jW vom 6.11.: »Autoland abgebrannt«
Zutreffende Analyse in »Autoland abgebrannt«. Es fehlen einige wichtige Punkte, trotz des alternativen Ansatzes zur bürgerlichen, üblichen Betrachtung: Die Weigerung der deutschen Politik und Autoindustrie, rechtzeitig andere Wege zu gehen, getragen seinerzeit vom »Genossen der Bosse«, dem Exbundeskanzler Gerhard Schröder (»Managementfehler«). Ein zweiter wichtiger, der derzeit wichtigste Punkt: die Bedingungen der Zeitenwende, die Bedingungen der neuen Kriegszeiten. Dazu gehören die Sprengung und Stilllegung von Pipelines. Dazu gehören die Sanktionen und die damit verbundenen direkten und indirekten Schäden. Dazu gehören die enormen Mittel, die in Krieg und Hochrüstung gesteckt werden. Mittel, die dem zivilen Sektor entzogen werden. Dazu gehört die Tatsache, dass nun andere Standorte – vorweg die USA – äußerst attraktiv für die energieintensive Produktion sind und die USA die Abwanderung in diese Richtung aktiv beschleunigen. Drittens: eine verkorkste Energiewende, der zudem noch das relativ billige und relativ saubere russische Gas als erforderlicher Begleiter fehlt. Viertens: ein fehlendes Gesamtkonzept Verkehrs- und Mobilitätsplanung unter ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Aspekten. Damit sind wir wieder beim zweiten Punkt: Das ist schon rein materiell in Kriegs- und Kriegsvorbereitungszeiten nicht machbar. Fünftens: eine einerseits verspätete Orientierung auf lediglich neue Formen des Antriebs, die andererseits zu schnell und einseitig auf etwas setzt (reine E-Mobilität), was so nicht funktioniert.
Stephan Krüger, Neumarkt i. d. Oberpfalz
Menschen schützen
Zu jW vom 4.11.: »Konsequent repressiv«
Natürlich muss jüdisches Leben in der BRD geschützt werden, genauso wie das Leben aller Menschen in unserem Land. Rassismus jeder Art ist abzulehnen – überall auf der Welt und von jedem Menschen auf unserer Erde. Aber was hat das mit dem Staat Israel zu tun? Israel ist ein offen rassistischer Staat, der seit 1948 das palästinensische Volk unterdrückt, ihm gleiche Rechte verwehrt und Palästinenser vom eigenen Grund und Boden vertreibt. Hat irgendeine israelische Regierung dem palästinensischen Volk jemals die Hand gereicht und sich für eine gute Zusammenarbeit und Gleichberechtigung beider Völker in einem gemeinsamen Land ausgesprochen? Niemals! Den Regierenden unseres Landes empfehle ich das Gedicht »Höre, Israel« von Erich Fried, 1974 veröffentlicht. Das von Völkerrechtlern bereits als Genozid bezeichnete Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza macht mich sehr betroffen. Darüber muss auch in unserem Land offen gesprochen werden dürfen.
Barbara Wolterstädt, Berlin
Aktiver Friedensprozess
Zu jW vom 4.11.: »Konsequent repressiv« und dem o. s. Onlinekommentar dazu
»Hat irgendeine israelische Regierung dem palästinensischen Volk jemals die Hand gereicht und sich für eine gute Zusammenarbeit und Gleichberechtigung beider Völker in einem gemeinsamen Land ausgesprochen? Niemals!« – Das stimmt so nicht ganz! Jitzchak Rabin hat in seiner zweiten Amtszeit als israelischer Ministerpräsident zusammen mit Jassir Arafat aktiv einen Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern befördert. Dafür ist er, gemeinsam mit Arafat, 1994 mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden. Und 1995 wurde er dafür auf einer Friedenskundgebung von einem israelischen Jurastudenten ermordet. Der Untersuchungsbericht zu seiner Ermordung unterliegt heute noch in Teilen der Geheimhaltung …
Steffen Krause, Berlin
Wie kritisieren?
Zu jW vom 7.11.: »›Es geht nur darum, was über Israel gesagt wird‹«
Es gibt Leute, die sich gegen Israels Existenz wenden und alles »auf Anfang« stellen wollen. Israel zu beseitigen, ist ein antisemitisches Projekt! Andere fordern, die Solidarität mit den Palästinensern aufzugeben, weil der Zentralrat der Juden es fordert. Was waren das noch für Zeiten, da ein Ignatz Bubis Wert auf die Feststellung legte, dass er ein deutscher Jude und kein Vertreter des israelischen Außenministeriums ist. Es fragte ein Journalist im Neuen Deutschland vom 27. März 2006: »Wie können Journalisten und Politiker dem Vorwurf des Antisemitismus entgehen, wenn sie sich der israelischen Politik kritisch gegenüberstellen?« Der israelische Friedensaktivist Uri Avnery (1923–2018) antwortete: »Sie müssen in ihrer Kritik deutlich machen, dass sie nicht gegen die Existenz Israels sind, sondern lediglich das Interesse von Palästinensern und Israelis gleichermaßen berücksichtigen wollen. Das muss vollkommen klar sein.«
Ulrich Sander, Dortmund
Vergesellschaftung
Zu jW vom 2./3.11.: »Offizielles Oligopol«
Wenn die Konzerne offensichtlich in ihrer Geschäftstätigkeit vergesellschaftet sind – fast jeder kauft bei ihnen ein –, ist genauso offensichtlich das einzige Gegenmittel die Vergesellschaftung auch der Leitung. Alles andere ist Herumdoktern an Symptomen.
Petra Lehmann, Thyrow
Versöhnung statt Feindbildpflege
Zu jW vom 5.11.: »Tiefe Einblicke einer verkannten Zeugin«
Luise Rinser hatte die besondere Gabe eines unbestechlichen Blicks, Vorurteile auf Länder und Menschen zu kritisieren, die durch jahrzehntelange Feindbildpflege in der öffentlichen Paranoia versteinert sind. In dem Buch »Grenzübergänge«, 1972 erschienen, demonstriert sie diese Begabung an den Beispielen der Länder Polen und der Sowjetunion sowie im Blick ins Innere der BRD z. B. an Gudrun Ensslin und Andreas Baader, als diese noch friedliche Sozialarbeiter in Frankfurt am Main waren, nur um ein besonders prägnantes Beispiel zu nennen. Auch hier war ihr Anliegen Versöhnung statt gesteigerter Feindbildpflege, die in rasender Verblendung zur Eskalation führt. Natürlich habe ich mir das Nordkorea-Reisetagebuch sofort bestellt. Antiquarisch ist es noch erhältlich. Vielen Dank für den Literaturhinweis.
Dieter Kaufmann, Heidelberg
Rassismus jeder Art ist abzulehnen – überall auf der Welt und von jedem Menschen auf unserer Erde.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!