Wieder mal kein Weltende
Von Arnold SchölzelAls Donald Trump am 8. November 2016 zum ersten Mal zum US-Präsidenten gewählt worden war, verbreitete die deutsche Qualitätspresse Schauergeschichten. Der Spiegel setzte den Kopf Trumps als riesigen Kometen, der auf eine kleine Erde zurast, auf seine Titelseite und schrieb: »Das Ende der Welt (wie wir sie kennen)«. Das war geringfügig übertrieben. Nicht das Ende der bekannten Welt trat ein, es kam lediglich – mit dem Dichter Peter Hacks gesprochen – der Untergang der Zivilisation ein Stück näher. Da das bei jeder US-Präsidentschaftswahl seit 1945 so ist, fiel die Trump-Wahl außer dem Spiegel der übrigen Menschheit nicht besonders auf. Der damals 15 Jahre andauernde NATO-Krieg in Afghanistan ging mit dem Baulöwen hemmungslos weiter, und an der erneuten Taliban-Herrschaft in Afghanistan hat er zweifellos einen gewichtigen Anteil. Da Trump vom Muslim-Schlachten begeistert ist, spornte er Israel bei Massakern an und riskierte mit der Ermordung des iranischen Generals Kassem Soleimani, der sich zu Friedensgesprächen mit Saudi-Arabien im Irak aufhielt, Krieg mit dem Iran. Das terroristische Killen mit Hilfe von Drohnen hatte er nahtlos von seinem Amtsvorgänger Barack Obama übernommen, den Wirtschaftskrieg gegen China brachte er auf Touren.
Aber deutsche Edelfedern lassen sich von so etwas nicht beirren. Trump – den erledigen sie aus dem Stehsatz. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Also titelt Spiegel-Chefredakteur Dirk Kurbjuweit seinen am Freitag vorab veröffentlichten Leitartikel mit »Das Ende des Westens«. Und in der Zeit steht unisono über einem Traktat von Thomas Assheuer: »Das Ende des amerikanischen Traums. Der autoritäre Nationalismus erobert das Herz der westlichen Demokratie.« Immerhin ist das schon etwas tiefer gehängt als 2016, und FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler, der damals wegen Trump über eine deutsche Atomwaffe sinnierte, bleibt für seine Verhältnisse diesmal geradezu seriös: »Trumps Wiederwahl zwingt Deutschland zu Kursänderungen auf den Feldern der Verteidigungs-, Wirtschafts- und Finanzpolitik, die schon lange nötig gewesen wären, jetzt aber unausweichlich sind.« Schön wär’s ja, wenn es mit der Rüstung wieder abwärts ginge, wäre aber nicht in Kohlers Sinn.
Die »Apocalypse Now«-Nummer bleibt diesmal dem Spiegel-Chef. Der beschwört zunächst die liberale Demokratie der Nachkriegszeit, der Trump nun den Garaus mache: »Ihre Stärke war die Sorge um den Menschen, um das Individuum. Wohlstand für alle durch sozialen Ausgleich, mehr Rechte für Frauen oder Homosexuelle, die weitgehende Abwesenheit autoritärer Zumutungen von Regierungen – das machte den Westen in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg attraktiv.« Ein Held der westlichen Welt wie Kubjuweit interessiert sich selbstverständlich nicht für Nebensächlichkeiten wie den Koreakrieg oder den US-Völkermord in Vietnam, schon gar nicht dafür, dass die bloße Existenz der Sowjetunion beim »sozialen Ausgleich« stets eine Rolle spielte. Als sie besiegt war, war auch global Schluss mit sozialer Lustigkeit. In Kurbjuweits deutschbeschränktem Mustopf aber war es so: »Doch irgendwann galt die soziale Frage als weitgehend gelöst, die Ära der Sozialdemokratie als beendet, weil der größte Teil der Gesellschaft ein gutes Auskommen hatte.«
Nach Erledigung der Sowjetunion begannen die liberalen Demokratien zwar eine Kette völkerrechtswidriger Neokolonialkriege zum Niederhalten der globalen Habenichtse, aber warum soll einer im Spiegel das mitbekommen? Die westlichen Kriegskassen werden Jahr für Jahr rekordmäßig gefüllt, da reichen – Überraschung – die Finanzen nicht mehr fürs Soziale. So wird ein Lügenbold wie Trump Staatschef. Neu ist an diesem Ende nichts.
Die westlichen Kriegskassen werden Jahr für Jahr rekordmäßig gefüllt, da reichen – Überraschung – die Finanzen nicht mehr fürs Soziale. So wird ein Lügenbold wie Trump Staatschef. Neu ist an diesem Ende nichts.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (10. November 2024 um 17:16 Uhr)Wie hieß der Lügenbold, der vor Trump US-Präsident war?
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