Erstarrte Fronten
Von Reinhard LauterbachDer russische Präsident Wladimir Putin hat Gespräche über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs davon abhängig gemacht, dass sich die Ukraine zu einer dauerhaften Neutralität verpflichtet. Bei der Abschlusssitzung des Waldai-Klubs sagte Putin am Freitag in Sotschi, Russland sei nicht an einer Waffenruhe für ein paar Stunden oder Monate interessiert, während derer der Westen die Waffenvorräte der Ukraine wieder auffülle. Die Nachfrage nach der Anerkennung der ukrainischen Grenzen durch Russland im Jahre 1991 beantwortete Putin mit der Bemerkung, das Land habe sich seinerzeit per Verfassung für neutral erklärt, auf dieser Grundlage habe Russland ihre Grenzen anerkannt. Diese Geschäftsgrundlage sei weggefallen, seitdem die Ukraine die NATO-Mitgliedschaft zum Staatsziel erklärt habe. Vorbild für einen Friedensvertrag müssten die Abmachungen von Istanbul aus dem März 2022 sein, die künftigen Grenzen der Ukraine würden sich nach dem Frontverlauf zum jeweiligen Zeitpunkt und außerdem »der Meinung der Bewohner von Russlands historischen Territorien« richten. Das bedeutet ein Festhalten an den maximalen Kriegszielen, wie sie Putin zuletzt im Juni formuliert hatte.
Aus den USA meldete sich der ehemalige Trump-Berater Brian Lanza mit dem Vorschlag zu Wort, die Ukraine solle anstelle eines »Siegesplans« einen »realistischen Friedensplan« erarbeiten. Sie komme dabei um Gebietsabtretungen nicht herum, die Krim sei »definitiv weg«. Kein amerikanischer Soldat werde für ihre Rückgabe an die Ukraine kämpfen. Die Aussagen Lanzas in einem Interview mit der britischen BBC wurden später von Vertretern des Trump-Stabs relativiert: Er habe im Wahlkampf für Trump gearbeitet, jetzt nicht mehr.
Im kriegswilligen Teil der EU wächst unterdessen trotzdem die Sorge, von einem möglichen Friedensvorschlag Trumps, um den die EU nicht mehr herumkäme, überrascht zu werden. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sagte am Wochenende im staatlichen Fernsehen, die »Freunde der Ukraine« müssten »Trump zuvorkommen«. Zu diesem Zweck solle im Dezember in Stockholm ein Treffen der skandinavischen und baltischen EU-Mitglieder, Polens und Frankreichs stattfinden. Deutschland ist offenbar nicht eingeladen. Tusk schloss gleichzeitig die Entsendung polnischer Soldaten im Rahmen einer »Friedenstruppe« in die Ukraine aus. Donald Trump hatte die Idee einer aus den europäischen NATO-Staaten zu bestückenden Friedenstruppe für die Ukraine ins Gespräch gebracht.
An der Front hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe offenbar auf Drohneneinsätze verlagert. Russland meldete am Sonntag den Abschuss von 70 ukrainischen Drohnen, darunter 34 über der Region Moskau. Die Ukraine berichtete über den Abschuss von 62 unbemannten Raketen Russlands. Dagegen hat sich die Intensität der Kämpfe am Boden in den vergangenen Tagen offenbar verringert. Die im allgemeinen präzise ukrainische Seite deepstate.ua meldete kleinere Geländegewinne Russlands im Süden und Osten von Kurachowe im Donbass. Das Nachlassen der Kämpfe könnte mit hohen russischen Verlusten zu tun haben. Das US-amerikanische »Institute for the Study of War« summierte am Sonntag die mutmaßlichen russischen Verluste allein für den Oktober auf über 30.000 Mann, also etwa 1.000 pro Tag. Russland nennt ähnlich hohe Zahlen für die ukrainische Seite.
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