Merz droht mit »Reform«
Von Kristian StemmlerDer Streit um den »richtigen Zeitpunkt« für die vorgezogene Bundestagwahl hat sich am Wochenende zugespitzt. Union und FDP bekräftigten ihre Forderung an den Bundeskanzler, möglichst zügig, am besten schon am Mittwoch dieser Woche, die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) meldete dagegen Zweifel an, ob das organisatorisch möglich ist, sprach sich aber auch dafür aus, »so schnell wie möglich« neu zu wählen und warnte vor einer »Hängepartie«, setzte sich also vorsichtig von der SPD ab, die Wahlen erst im März will.
Für Aufregung bei der Union sorgte ein öffentlich gewordener Brief der Bundeswahlleiterin Ruth Brand an Scholz, in dem sie vor »unabwägbaren Risiken« für den Fall einer Bundestagswahl im Januar oder Februar warnt. Sie wies darauf hin, dass der Zeitraum von 60 Tagen ab Auflösung des Bundestags »voll ausgeschöpft« werden müsse, damit alle Maßnahmen für eine ordnungsgemäße Wahl »rechtssicher und fristgemäß« getroffen werden könnten. Fielen Termine und Fristen in die Weihnachtszeit oder die Tage danach, wäre der »nur sehr knappe Zeitraum von 60 Tagen maßgeblich verkürzt«. Zudem könne es, so Brand, Probleme schon bei der Beschaffung von Papier und der Beauftragung von Druckdienstleistern geben. Ein Sprecher der Papierindustrie versicherte daraufhin, man sei in der Lage, rechtzeitig Papier zu liefern.
Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, warf Brand via Bild am Sonntag vor, sich instrumentalisieren zu lassen. Man müsse aufpassen, »dass wir uns mit einer Debatte auf diesem Niveau international nicht lächerlich machen«. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bezeichnete Brands Aussagen als »skandalös und beschämend«, sie seien »ein Spiegelbild dessen, was in Deutschland los ist«. Ein Sprecher Brands wies Freis Vorwurf einer Instrumentalisierung zurück. »Es gab keine Weisung oder Einflussnahme auf die Position der Bundeswahlleiterin im Zusammenhang mit Neuwahlen«, sagte er gegenüber Reuters. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch betonte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, Scholz habe das Angebot gemacht, »dass wir uns konkret mit der Union darüber verständigen, welche wichtigen Projekte wir im Bundestag noch gemeinsam voranbringen – wie Kindergeld, Pflegeversicherung und das Deutschlandticket«.
Unterdessen umriss CDU-Chef Friedrich Merz gegenüber dem Stern, was von ihm als Bundeskanzler zu erwarten ist. Im Falle eines Wahlsiegs wolle er den Solidaritätsbeitrag abschaffen, weil dieser »zum politischen Kampfinstrument der Sozialdemokraten gegen ›die Reichen‹« geworden sei. Das habe mit »Sozialneid« zu tun. Für Erwerbslose hat Merz vor allem neue Sanktionen vorgesehen. Er forderte eine »echte Arbeitsmarktreform«, als erstes müsse »der Name Bürgergeld verschwinden«. Wer arbeiten könne, müsse auch arbeiten. Als Vorbild führte Merz die »Agenda 2010« an. Die hatte allerdings zur Verarmung breiter Schichten geführt.
In der Außenpolitik will Merz nach eigenen Angaben stärker »deutsche Interessen vertreten« und dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump auf Augenhöhe begegnen: »Wir müssen von einer schlafenden Mittelmacht wieder zu einer führenden Mittelmacht werden.« Mit den USA müssten »gute Verabredungen für beide Seiten« getroffen werden. »Trump würde es einen Deal nennen«, so Merz. Der CDU-Chef erklärte zudem mit Blick auf die Wahl, eine Zweitstimmenhilfe für die FDP, die in Umfragen aktuell unter fünf Prozent liegt, werde es von der Union nicht geben: »Insbesondere bei dem gegenwärtigen Wahlrecht haben wir nichts zu verschenken.«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (11. November 2024 um 05:54 Uhr)Wer arbeiten kann, muss auch arbeiten, sagt der Herr Merz. Das trifft hoffentlich auch auf jene zu, die viele Millionen oder gar Milliarden ihr Eigen nennen und von deren Verprassen leben. Auf Spekulanten und jene »Endversorgten«, für die im politischen Bereich kein Platz mehr ist. Die Schleimer und Kriecher, deren einzige »Arbeit« darin besteht, der Macht den Hintern zu küssen. Auf, auf Herr Merz, in der Pflege oder der Müllabfuhr werden dringend Arbeitskräfte gesucht!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Raimon B. aus Chemnitz (10. November 2024 um 19:52 Uhr)Vertrauensfrage? Als mündiger Bürger und umworbener Wähler fühle ich mich nach der Präsidentenwahl in den USA und dem Ampel-Aus wie bei der Aufführung eines schlechten Theaterstückes. Der von der Politik, Medien und vermeintlichen Experten herbeigewünschte Sieg von Kamala Harris hat den Praxistest haushoch nicht bestanden. Dem schloss sich der sogenannte Paukenschlag mit der Kündigung des FDP-Finanzministers Lindner an. Dabei war für jeden halbwegs interessierten und logisch denkenden Bürger schon seit Monaten offensichtlich und klar, diese Ampel findet selbst in Grundfragen notwendiger politischer Entscheidungen keinen gemeinsamen Nenner. Die verantwortlichen Akteure auf der politischen Bühne lächelten alle in die Kamera, machten, was sie wollten, und hauten sich gegenseitig hinterm Rücken die Beine weg. Diesem Treiben hatte der Kanzler fast ohnmächtig zugeschaut. Jetzt muss die Unvereinbarkeit im Umgang mit der Schuldenbremse für das Aus der Regierung herhalten. Erinnern wir uns. Der Schuldenbremse hatten alle Beteiligten, trotz vieler Vorbehalte und Warnungen, zur Aufnahme ins Grundgesetz zugestimmt. Die Aufkündigung der Ampel und der öffentliche Streit soll nur überdecken, dass die Regierenden, aber auch die Opposition am Ende ihres Lateins sind, Wirtschaft und Sozialpolitik erfolgreich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu gestalten. Im nächsten Akt wird nahezu an allen politischen Fronten verbissen nur um die Frage nach dem Termin für Neuwahlen gestritten. Es mutet wie das Geschehen im Kindergarten, kleine Gruppe, an. Jetzt soll auch noch, wie auf einem Basar, eine Zusammenarbeit mit einem Neuwahltermin eingetauscht werden. Keiner will nachgeben, denn es geht nicht um einen vernünftigen Konsens, sondern um die politische Macht. Dabei drängt die Lösung, die Probleme in unserem Land auf rasche, fundierte und zukunftsorientierte Entscheidungen. Überlegt terminisierte Neuwahlen könnten dabei helfen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred P. aus Hamburg (12. November 2024 um 19:06 Uhr)Zukunft und bürgerliche Ideologie/Politik sind ein Widerspruch in sich. Immer deutlicher bewahrheitet sich die von F. Engels ausgesprochene Warnung vor der Bourgeoisie als einer Klasse, »unter deren Leitung die Gesellschaft dem Ruin entgegenrennt.« (»Anti-Dühring«, VMB-Ausg. 1971, S. 133). Offenbar ist allen nordatlantischen politischen Administrationen inhärent die Unfähigkeit, wichtige Zukunftsentwürfe oder fortschrittliche Lösungsansätze für eine gedeihliche Entwicklung zu schaffen. Wir haben es mit dem heutigen Politpersonal mit einer Bande von selbstsüchtigen bornierten Charaktermasken zu tun, die nur noch mit hohlen Phrasen und der bekannten Politclownerie die Leute an der Nase herumzuführen imstande sind. Und damit zugespitzt auf die verbrecherische Faschisierung von Denken und Handeln. Wer keine Ahnung hat vom historischen und dialektischen Materialismus und Denken und Handeln nur unter dem Vorzeichen von persönlichen Vorteilen zu sehen vermag, ist blind. Das gilt im Großen und Ganzen natürlich auch für die Wähler, die im Frühjahr zwischen Blackrock und Rheinmetall wählen dürfen. Dagegen war früher – frei nach Brecht – die Entscheidung für oder gegen Pferdedieb oder Börsenspekulant ja noch harmlos.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (11. November 2024 um 15:36 Uhr)Ist es nicht ein sehr frommer Wunsch, von lediglich einer anderen Konstellation jener politischen Kräfte, die einen Großteil der heute unlösbaren Probleme erst geschaffen haben, »rasche, fundierte und zukunftsorientierte Lösungen« zu erwarten? Wer soll die denn liefern? Die CDU, die CSU, die AfD, die Grünen, die FDP, die SPD? Sollen wir uns wirklich damit trösten lassen, irgendeiner von den Ewiggestrigen würde es wirklich schaffen, uns in eine grandiose Zukunft zu führen?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (11. November 2024 um 22:49 Uhr)Na ja, Die Linke und das BSW liefern auch kein Rezept für »eine grandiose Zukunft«.
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