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Aus: Ausgabe vom 11.11.2024, Seite 6 / Ausland
Mumia Abu-Jamal

Die Stunde des Widerstands

USA: Der Kommentar Mumia Abu-Jamals zur Wahl 2016 ist auch nach acht Jahren weiter gültig
Von Jürgen Heiser
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Allerorten sei »Heulen und Zähneknirschen zu hören«, schrieb der US-Bürgerrechtler und politische Gefangene Mumia Abu-Jamal in seiner jW-Kolumne vom 28. November 2016, nachdem der Republikaner Donald Trump seinen ersten Wahlsieg errungen hatte. Fassungslosigkeit mische sich mit Verzagtheit, schrieb Abu-Jamal weiter und empfahl: »Trocknet eure Tränen, erhebt stolz eure Häupter, und schließt euch den Widerstandsbewegungen gegen diesen Wahnsinn an!« Das sei auch »während der acht Jahre unter einem afroamerikanischen Präsidenten« notwendig gewesen. Schwarze hätten nie eine andere Wahl gehabt, »als für Freiheit, Respekt und Gerechtigkeit zu kämpfen«.

Anlässlich des erneuten Wahlsiegs des Ultrareaktionärs Trump stellte eine um ihre Anonymität bittende US-Pressekollegin gegenüber dem Verfasser fest, wie wenig Unterschied acht Jahre machten. Verändert habe sich seit 2016 nur »die Haltung der offen aggressiver auftretenden bürgerlichen Klasse, die keinen wirklichen Plan mehr« habe und glaube, »die Tatsache ihrer im Niedergang befindlichen imperialistischen Alleinherrschaft verdecken zu können«.

Das US-Projekt Prison Radio schrieb kurz nach dem 5. November, während sich der Staub nach der Wahl lege, bleibe die Tatsache bestehen, dass sich kein US-Präsident je um die Menschen hinter Gittern geschert habe. »Kein Offizieller – egal welcher Partei – hat sich für die Befreiung derjenigen eingesetzt, die in der Falle des industriellen Gefängniskomplexes stecken.« Beide staatstragenden Parteien hätten »ein System aufgebaut, das die von Armut geplagten schwarzen und hispanischen Gemeinden unverhältnismäßig stark ins Visier« nehme, sie gesellschaftlich isoliere und zum Schweigen bringe. »Befreien können wir uns nur selbst«, zitiert Prison Radio den Ex-Black-Panther Jalil Muntaqim, der erst 2020 nach 49 Jahren Haft entlassen wurde.

Das Land hat gewählt, aber rund 2,3 Millionen Inhaftierte waren qua Gesetz vom Gang zur Wahlurne ausgeschlossen. Als unmittelbar in ihrer Existenz von politischen Entscheidungen Betroffene dürfen sie auch dann nicht wählen, wenn sie auf Bewährung freikommen. »Hätte unsere Stimmabgabe Mumia, Leonard (Peltier) oder die zahllosen anderen politischen Gefangenen befreien können, wäre das schon vor vielen Jahren geschehen«, so Prison Radio.

Seit rund drei Jahrzehnten gibt das Projekt Gefangenen, die sonst zum Schweigen verdammt sind, die Möglichkeit, sich an die Öffentlichkeit zu wenden und sich mit Verbündeten der Bewegung zur Abschaffung des repressiven Knastsystems zusammenzuschließen. Kenneth Zamarron, der wie Abu-Jamal Knastkorrespondent des Radios ist, sagte, Prison Radio biete ihm »eine Form der Freiheit«, indem es ihm und anderen Inhaftierten ermögliche, sich gegen ein System zu wehren, »das seine Insassen durch gezielte Unterdrückung systematisch mundtot macht«.

Die jetzt bei der Präsidentschaftswahl unterlegene Exstaatsanwältin Kamala Harris hat wie die Demokraten insgesamt in den zurückliegenden Jahren mehr zur Masseninhaftierung der unterdrückten Klasse als zur Aufhebung ihrer politischen Rechtlosigkeit beigetragen. Im Widerspruch dazu baute Harris den Slogan »When We Fight, We Win!« (»Wenn wir kämpfen, siegen wir«) in ihre Wahlkampagne ein, der ursprünglich eine Kampfparole von Aktivisten des Häuserkampfs in Boston war. 2016 war der Slogan auch Titel eines gleichnamigen Buches von Greg Jobin-Leeds und dem puertoricanischen Projekt Agit Arte. Zu Fragen des Basiswiderstands und dem Aufbau von Gegenmacht von unten kamen darin auch politische Gefangene wie Kevin Rashid Johnson und Abu-Jamal zu Wort.

Harris hat der Versuch, den Slogan für ihre Zwecke auszubeuten, nicht geholfen, die Wahl zu gewinnen. Wie der Black Agenda Report schreibt, wird sie mit dem Spitznamen »Copmala« in die Geschichte eingehen, weil sie in ihrer politischen Karriere nichts gegen die Gewalt der Polizei unternahm und deshalb bereits 2020 als Präsidentschaftskandidatin gescheitert war. Bestand hat indes Abu-Jamals Aufruf von 2016: »Lasst uns unsere Geschichte zurückerobern und Stein für Stein mit widerstandsfähigem Mörtel unsere Zukunft bauen!«

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