Drei Sitze reichen nicht
Von Thomas BergerEin weiteres Mal binnen weniger Wochen sind in Sri Lanka 17 Millionen Wahlberechtigte am Donnerstag zur Stimmabgabe aufgerufen. Nach den Präsidentschaftswahlen am 21. September, die im Inselstaat mit dem Sieg des Marxisten Anura Kumara Dissanayake ein kleines politisches Erdbeben auslösten, geht es nun um die Neubesetzung der 225 Abgeordnetensitze im Parlament. Nach seiner Vereidigung hatte AKD, wie er oft verkürzt genannt wird, umgehend dessen Auflösung verkündet und somit dafür gesorgt, dass der Wahlkampf nach kurzem Innehalten gleich wieder neu in Gang kam.
Mit dem Schritt kam er nicht nur einem Versprechen an die Bevölkerung nach, die auf einen umfassenden politischen Neuanfang hofft. Auch für die eigenen Vorhaben im höchsten Staatsamt ist er unerlässlich: Mit lediglich drei Sitzen für seine Allianz, die linke National People’s Power (NPP), im bisherigen Parlament würde das Regieren auf längere Sicht denkbar schwierig, um Reformvorhaben durchzubringen. Die Neuwahl eröffnet ihm zumindest die Chance, sich eine parlamentarische »Hausmacht« aufzubauen, wenn es schon nicht zu einer eigenen Mehrheit reichen mag. Diese im Rücken, könnte er dann aus einer Position der Stärke heraus notwendige Partner für wichtige Entscheidungen gewinnen.
Erstmals hat sich seit seiner Wahl zum neuen Präsidenten die grundsätzliche Stimmung im Land, das sich noch immer mühsam von der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte erholt, gedreht. Das Umfrageinstitut IHP (Institute for Health Policy) konstatierte in seiner jüngsten Befragung vom Oktober, dass nunmehr 41 Prozent der Meinung seien, das Land befinde sich auf dem richtigen Weg. Das ist nicht nur ein Riesensprung gegenüber 16 Prozent unmittelbar vor den Septemberwahlen und mehr noch den lediglich acht Prozent im August. Sondern es stellt auch eine Premiere dar, dass der Anteil der Positivgestimmten den jener, die nach wie vor einen Weg in die falsche Richtung sehen (36 Prozent), klar übertrifft. Noch stärker ist diese Hoffnung und Erwartung greifbar, die sich an Dissanayakes Amtsantritt vor wenigen Wochen knüpft, wenn man die düstere Einschätzung vom April und Mai 2022 auf dem Höhepunkt der Krise dagegenhält: 80 bis 83 Prozent waren damals negativ gestimmt, bestenfalls drei Prozent konnten noch einen richtigen Kurs erkennen.
AKD, keineswegs neu im politischen Geschäft, weiß, dass er zügig liefern muss. Mit den bisherigen parlamentarischen Kräfteverhältnissen wären ihm aber Fesseln angelegt. Nun geht es darum, sich mit einem guten Ergebnis für die NPP wenigstens Gestaltungsspielraum zu erarbeiten. Weitere Umfragewerte des IHP zeigen deutlich, wo die meisten Landsleute der Schuh drückt: Für 74 Prozent der Befragten ist die Wirtschaftskrise weiterhin das Topthema. 44 Prozent nennen die Inflation, 40 Prozent die weggefallenen Jobs.
»Die Parlamentswahlen finden in einer kritischen Phase der politischen und wirtschaftlichen Geschichte des Landes statt«, sagten die Analysten Kanishka Gamage und Rajni Samarasinghe Anfang Oktober gegenüber Asia News. Eine wichtige Stellung komme den Minderheiten zu, die es zusammen auf etwa 25 Prozent bringen, wobei die beiden Fachleute nicht nur auf die Tamilen, sondern auch die Muslime und deren Parteien verwiesen. Ein Manko der NPP sei, dass sie in diesen Bevölkerungsgruppen unzureichend verankert sei. Tatsächlich hatten die Angehörigen der beiden genannten bei der Präsidentschaftswahl vorwiegend für AKDs konservativen Gegenkandidaten gestimmt, den bisherigen Oppositionsführer Sajith Premadasa. Die aktuelle Zersplitterung der traditionellen Tamilen-Parteien, so ein Beitrag im Tamil Guardian Ende Oktober, könnte der NPP im Norden in die Hände spielen und ihr sogar dort einige Sitze bescheren. Eine kleine Sensation ist zudem: Weder die beiden Expräsidenten Mahinda (78) und Gotabaya Rajapaksa (75) noch ihre Brüder Chamal (81) und Basil (73) bewerben sich diesmal um einen Parlamentssitz. Was das für die Wahlchancen ihrer SLPP als zuvor stärkste Kraft bedeutet, ist noch nicht ganz absehbar.
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