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Aus: Ausgabe vom 14.11.2024, Seite 4 / Inland
Vor der Bundestagswahl

»Taurus«-Ultras in der Kurve

Regierungserklärung nach Ampel-Aus: Scholz läutet Wahlkampf ein. Union arbeitet sich am unpopulären Kanzler ab
Von Kristian Stemmler
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Olaf Scholz am Mittwoch im Bundestag

Die Bundestagsdebatte nach der Regierungserklärung »zur aktuellen Lage« am Mittwoch nachmittag war einmal mehr keine Sternstunde der deutschen Parlamentsgeschichte. Als der Bundeskanzler über den Ukraine-Krieg sprach und dabei – der Wahlkampf ist eröffnet – seine Entscheidung bekräftigte, keine weitreichenden Marschflugkörper in die Ukraine liefern zu wollen, kamen aus der FDP-Fraktion von mehreren Abgeordneten laute »Taurus«-Rufe – eine für das Niveau der Debatten im Bundestag charakteristische Szene.

Immerhin erlaubt die Debatte am Tag nach der Einigung auf einen Termin für Neuwahlen ein paar Schlüsse über die Strategien der Parteien für den Wahlkampf. Auffallend: Scholz ging CDU-Chef Friedrich Merz mit keinem Wort direkt an, sondern konzentrierte sich darauf, sich als Staatsmann und als Kämpfer für die »kleinen Leute« zu präsentieren. Merz griff Scholz in seiner Replik dagegen scharf an, und setzte ihn streckenweise sogar persönlich herab.

Ein Hebel von CDU und CSU im Wahlkampf soll ersichtlich die Fokussierung auf den unpopulären Kanzler sein. Das hat man auch in der SPD verstanden, weshalb dort am Mittwoch weitere Forderungen aus der zweiten und dritten Reihe kamen, den angeblich »beliebten« Verteidigungsminister Boris Pistorius anstelle von Scholz zum Kanzlerkandidaten zu machen. In diesem Sinne äußerten sich etwa der abgewählte ehemalige Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein und der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Rüdiger Erben.

Scholz sprach am Mittwoch von »rauhen Zeiten«, in denen »Europa auf Kurs bleiben« müsse. Die Ukraine müsse weiter unterstützt werden, so der Kanzler, aber er werde alles dafür tun, dass der Krieg dort nicht eskaliere. Scholz erwähnte sein Telefonat mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump; es sei ein »gutes Gespräch« gewesen. Den politischen Ansatz von FDP und Union kritisierte Scholz nur indirekt. Er werde es nicht zulassen, dass die Milliarden für die Ukraine oder die Bundeswehr »zu Lasten von Rentnern, Gesundheit und Pflege« gingen. So etwas werde nur von Leuten gefordert, »die nicht rechnen müssen, ob das Geld bis Monatsende reicht«. Wer das Rentenniveau nicht stabilisieren wolle, »kürzt am Ende die Rente«. Er stehe für »Zusammenhalt«, und dieses Thema werde »die zentrale Frage des Wahlkampfs« sein.

Merz warf Scholz vor, »in einem eigenen Kosmos« zu leben, und nicht zu verstehen, »was draußen im Lande vorgeht«. Er fügte hinzu: »Sie spalten das Land.« Seit dem Ende der Ampelkoalition gehe »eine große Erleichterung durch unser Land«. Der Auftritt von Scholz nach Lindners Entlassung sei eines Bundeskanzlers unwürdig gewesen. Scholz habe zudem nicht die geringste Autorität im Weißen Haus: »Trump würde Sie wie ein Leichtgewicht abtropfen lassen.«

In auffälligem Gegensatz zu den heftigen Angriffen auf Scholz standen die lobenden Worte, die Merz für den SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und die Fraktionschefs von FDP und Bündnis 90/Die Grünen fand. Die Zusammenarbeit mit ihnen bei der Festlegung eines Zeitplans für Neuwahlen sei konstruktiv gewesen. Dafür grenzte der CDU-Chef sich mit scharfen Worten von der AfD ab. Es werde »zu keinem Zeitpunkt eine Zusammenarbeit« mit der Partei geben, egal mit wie vielen Abgeordneten sie im nächsten Bundestag vertreten sein werde.

CSU-Chef Markus Söder – als bayerischer Ministerpräsident darf er im Bundestag sprechen – polterte, was Scholz in der Regierungserklärung abgeliefert habe, sei »totaler Realitätsverlust«. Keine Regierung habe das Land tiefer gespalten als die Ampel-Regierung. Der Abgang nach dem Ampel-Aus sei »stil- und würdelos« gewesen. Von einer künftigen Regierung erwarte er »mehr Leistung und Gründlichkeit«.

Lindner erklärte zu seinem Rauswurf, manchmal sei eine Entlassung »auch eine Befreiung«. Die Regierung Scholz sei auch daran gescheitert, »dass wir nicht mehr über dasselbe Land gesprochen haben«. Den Vorwurf, bei den Renten kürzen zu wollen, wies Lindner zurück.

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  • Leserbrief von Ulrich Sander aus Dortmund (14. November 2024 um 12:28 Uhr)
    Viele Medien empfehlen den Herrn Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten der SPD. Das ist der mit der angeblich ungeheuren Beliebtheit, der mit der »Kriegstüchtigkeit« und der Forderung nach immer mehr Rüstung, nach Militarisierung von Schule und Bildung, ja der gesamten Gesellschaft. Vertreter der Friedensbewegung haben herausgefunden, dass »Zeitenwende 0.2« (0.1 war die Verwendung des Begriffs vor 1945) und vor allem »Kriegstüchtigkeit« und die Stärkung der angeblich »blanken« Bundeswehr jene Konzepte waren, welche die Bundeswehrführung durch Heeresinspekteur General Alfons Mais vor vier Jahren in einer Rede vor Heeresvertretern in die Politik einbrachten. Mit Pistorius, dem Sprecher des Militarismus, wäre endgültig Schluss mit dem Primat der Politik, es kommt zum Primat der Militärs, des heimlichen Generalstabs. Es ist alarmierend: Nachdem die Militaristen aller Spielarten von 1945 bis 2022 sich als friedliebend ausgaben (Frieden schaffen mit wenig Waffen, Bundeswehr als größte Friedensbewegung) soll jetzt im Volk durchgesetzt werden: Wir müssen »kriegstüchtig« werden, Kanonen statt Butter. Die AfD und die Union sind begeistert, friedliebende Menschen sind es nicht. Pistorius? Nein, danke.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (14. November 2024 um 09:16 Uhr)
    Bundeskanzler Scholz werde es nicht zulassen, dass die Milliarden für die Ukraine oder die Bundeswehr »zu Lasten von Rentnern, Gesundheit und Pflege« gingen. So etwas werde nur von Leuten gefordert, »die nicht rechnen müssen, ob das Geld bis Monatsende reicht«. Aber zu Lasten der Kinder darf es nach Meinung der SPD gehen! Alle Parteien, welche dem Sondervermögen (100.000.000 EUR neue Schulden) zustimmten, werben um Wähler, die überhaupt nicht rechnen können. Andernfalls würde die große Mehrheit solche Parteien nicht wählen. Solchen Wählern ist ihre (!) Rente natürlich nicht egal, aber scheinbar die ihrer Kinder und Enkel, die später die Schulden, die wegen der Ukraine gemacht werden, mit Zinsen abzahlen müssen. In die Rentenkasse und den Fond für Gesundheit und Pflege greifen alle Befürworter dieser »Sondervermögen«, entweder sofort oder bei unseren Nachkommen. Alles andere sind Nebelkerzen. Die Ukraine ist weder Mitglied der NATO noch der EU. Russland hat Deutschland nicht angegriffen und seine Truppen 1993 freiwillig abgezogen. Es besteht keinerlei Anlass für Deutschland, auch nur einen Euro für den Ukraine-Krieg auszugeben. So einfach ist das. Die NATO setzt im Vergleich mit Russland bereits die dreizehnfache Summe für das Militär ein, hat eine haushohe demografische Überlegenheit. Allein aus diesem Grunde stellt Russland für die NATO keine Bedrohung dar. Deutschland hat in drei Kriegen im 20. Jahrhundert Russland angegriffen (Weltkriege und Interventionskrieg), schwere Schuld auf sich geladen, hat den 2+4-Vertrag unterschrieben und ist auch aus letzterem Grund rechtlich verpflichtet, in der Ukraine Neutralität zu bewahren. Moralisch ist Deutschland zudem zur Neutralität verpflichtet, weil es als Garantiemacht des völkerrechtlich verbindlichen Minsker Abkommens dennoch acht Jahre lang zugesehen hat, wie die Regierung in Kiew über 10.000 eigene Landsleute sowie russische Staatsbürger im Donbass ermordete, und zwar vor 2022.

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