Fraktionen im Resolutionsfieber
Von Annuschka EckhardtMehr Befugnisse für Inlandsgeheimdienst, Polizei und Leitungsebene an Schulen und Universitäten: Sie bekommen den Hals nicht voll im vermeintlichen Kampf gegen Antisemitismus. Die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP planen einen weiteren Antrag, diesmal: »Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern«.
Die Plattform »Frag den Staat« hat den Antrag veröffentlicht. »An Schulen und Hochschulen zeigt sich vermehrt, dass unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung offen antiisraelische, antisemitische und verfassungsfeindliche Äußerungen vorgetragen und Taten begangen werden. (…) Es wird systematisch versucht, ein Klima der Unsicherheit und Angst an Schulen und Hochschulen zu erzeugen und eine antisemitische Deutungshoheit über den Nahostkonflikt zu etablieren«, meinen die Antragssteller zu wissen. Dagegen fordern sie einen ganzen Katalog von Maßnahmen – angefangen bei »Antisemitismusforschung in ihrer Breite weiter zu stärken und bilaterale Forschungskooperationen zu Antisemitismus zu vertiefen«, über »konsequentes Vorgehen gegen antisemitisches Verhalten«, bis dahin einen »engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden zu etablieren und bei Bedarf Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken«.
Vermischung von Antisemitismus und Kritik am israelischen Staat: Aktivitäten von Gruppierungen, die »israelbezogenen Antisemitismus« verbreiten, zu deren Mitteln auch »Boykottaufrufe, Delegitimierung, Desinformation und Dämonisierung des jüdischen Staates« gehören, sollen unterbunden werden. Dazu gehörten Aktivitäten der BDS-Bewegung. »Unterstützerinnen und Unterstützer etwaiger Bewegungen dürfen in deutschen Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen keinen Platz haben«, wird im Antrag gefordert.
Mehr als zwanzig Professoren und Hochschulmitarbeiter haben eine Stellungnahme unterzeichnet, die jW vorliegt. In dieser kritisieren sie unter anderem die Verengung des Wissens zum Nahostkonflikt auf die Geschichte Israels: »Palästinenser*innen kommen als mögliches Thema von Forschungen oder der Wissensvermittlung an Schulen oder Hochschulen nicht vor, sondern werden nur an einer Stelle im Zusammenhang mit dem Terrorismus der Hamas angeführt«, so die Unterzeichner. Auch eine Bedrohung der Diskursoffenheit wird angesprochen sowie eine isolierte Behandlung des Antisemitismus.
Von studentischer Seite wird der Antrag ebenfalls wenig begeistert zur Kenntnis genommen: Der Antrag sei geprägt von »Autoritarismus und analytischem Versagen«, beschwerte sich Bene Laub, Sprecherin der Kampagne Hands Off Student Rights, am Mittwoch gegenüber junge Welt. Eine Externalisierung von Antisemitismus mittels rassistischer Zuschreibungen, wie sie im Antrag von den Fraktionen vorgenommen wird, stehe konträr zum Anspruch, Antisemitismus zu bekämpfen. »Wir verurteilen die vorgenommenen Anstrengungen der oben genannten Parteien, den Kampf gegen Antisemitismus für eigene Zwecke zu instrumentalisieren, die palästinasolidarische Bewegung mittels rassistischer Narrative zu diskreditieren und ein Klima der Angst und Polarisierung an Universitäten und Schulen zu schaffen«, so die Studentin.
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