Acht Jahre Friedensvertrag
Von Sara Meyer, BogotáAm 24. November jährt sich die Unterzeichnung des Friedensabkommens mit der FARC-Guerilla zum achten Mal. Schon jetzt finden in Kolumbien Gedenkveranstaltungen statt, in der vergangenen Woche reisten auch der kolumbianische Außenminister Luis Gilberto Murillo und Ex-FARC-Kommandant Rodrigo Lodoño (Kampfname Timochenko) nach Oslo, um an die Unterzeichnung zu erinnern und über den aktuellen Stand zu diskutieren. Dabei wurde ein neuer strategischer Rahmen für die Wiederbelebung des Abkommens, der sogenannte Krisenreaktionsplan (Rapid Response Plan), vorgestellt. Murillo betonte, dass das Abkommen weiter zentrales Element der Politik des »allumfassenden Friedens« der Regierung Gustavo Petros sei.
Der Vertrag von 2016 gilt als einer der umfangreichsten Friedensverträge weltweit. Zentrale Säulen kennzeichnen ihn: Landreformen, politische Teilhabe der ehemaligen Guerillakämpfer, Drogenbekämpfung, Übergangsjustiz, Schutzmaßnahmen für ehemalige Kämpfer und soziale Bewegungen sowie die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen. Doch trotz zahlreicher Fortschritte bleibt die Umsetzung weiter schwierig. Besonders in den ehemaligen von der FARC kontrollierten Gebieten sind verschiedene andere Gruppen, darunter paramilitärische Organisationen und Drogenkartelle, aktiv. In vielen Regionen haben sie sogar die Kontrolle übernommen, was zu erneuter Gewalt und Unsicherheit führt. 2023 wurden mehr als 160 Menschenrechtsverteidiger ermordet. Das macht Kolumbien zu einem der gefährlichsten Länder für Aktivisten. Ein weiteres gravierendes Problem ist die hohe Zahl von Morden an ehemaligen FARC-Kämpfern. Es sind mehr als 400 Unterzeichner des Friedensabkommens sowie über 1.600 Aktivisten getötet worden, was das Vertrauen in den Prozess deutlich erschüttert.
Zu den positiven Entwicklungen der Umsetzung gehören Fortschritte bei der Vergabe von Land an Bauernfamilien und Konfliktopfer. Diese »Landreform« soll zur sozialen und wirtschaftlichen Integration der ländlichen Bevölkerung beitragen, die während des Konflikts besonders gelitten hat. Auch in der Reintegration ehemaliger FARC-Kämpfer hat sich etwas getan. Viele von ihnen haben mittlerweile berufliche Ausbildungsprogramme absolviert und eigene Projekte gestartet, etwa in den Bereichen Kaffeeproduktion und Tourismus. Doch Schwierigkeiten bleiben. Die Präsenz und Drohungen von kriminellen Gruppen hindern viele Rückkehrer daran, sich sicher zu integrieren. Aus diesem Grund mussten einige Projekte eingestellt werden, immer wieder berichten ehemalige Kämpfer von Angriffen auf ihre Betriebe.
Besonders die Politik und die gesellschaftliche Spaltung scheinen in Anbetracht des Abkommens dem Frieden im Land im Wege zu stehen. Bei einem Referendum 2016 hatte eine knappe Mehrheit gegen den Vertrag gestimmt. Viele Kolumbianer sind nach wie vor skeptisch. Dieses Misstrauen wird von politischen Beobachtern oft als ein Grund für das langsame Tempo der Umsetzung gesehen. Ein weiteres Hindernis war die vehemente Ablehnung des Abkommens der rechten Vorgängerregierung von Iván Duque. Erst mit dem Amtsantritt von Petro im August 2022 wurde sich ernsthaft darum bemüht, das Abkommen aktiv umzusetzen. Der erste linke Präsident will seinem Land den langersehnten Frieden bringen. Doch die Lage bleibt angespannt, machen ihm doch die anhaltende Gewalt sowie der starke politische Gegenwind der Opposition und der alten Eliten zu schaffen.
Das Friedensabkommen bleibt jedoch ein einzigartiges Projekt, das als Modell zur Beilegung andere Konflikte dienen könnte, sollte es gelingen, die bestehenden Hürden zu überwinden. Schon jetzt bietet der Prozess die Möglichkeit, Lehren für nationale wie internationale Friedensbemühungen zu ziehen.
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