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Aus: Ausgabe vom 14.11.2024, Seite 10 / Feuilleton
Leibesübungen

Auf der Froschrunde: Laufen gehen

Von Marc Hieronimus
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Siegen lernen, heißt liegen lernen

Leibesübungen sind Götzendienst und Teufelswerk, schreibt Tertullian ca. 200 u. Z. in »De spectaculis«, dem Christen reichen beten und arbeiten. Stimmt: Wer von früh bis spät auf den Feldern schuftet, hat eh keine Kraft, sich danach noch »auszupowern«, also zu entkräften. Aber heute wirken da Maschinen, und wir gammeln, vom Vergammeln nur eine Vorsilbe entfernt. Gerade der nicht mehr ganz junge Geistesarbeiter muss sich gegen das Einrosten wehren. Sport ist Wehrsport, das war schon bei den Griechen so: Disken und Speere werfen, mit Hilfe einer Stange über Hindernisse springen, Feinden hinterher- oder davonlaufen.

Die Nutzung der angeborenen Laufwerkzeuge, am besten im Grünen, ist die natürlichste und unkomplizierteste Art, sich zu bewegen. Waldwege sind überall, aber mit der Zeit bilden sich feste Strecken heraus: die kurze, eher ländliche Weidenrunde; die längere Läuferbankrunde durch ein Waldstück mit Höhenunterschieden und Fliegenpilzen; die Drei-Seen-Käse-Sahne-Runde, die eigentlich nur zwei Seen umfasst, aber immer noch lang genug ist, jede anschließende Schlemmerei zu rechtfertigen. Auf der Froschrunde, einer verlängerten Weidenrunde, überquert man einen Bach, in dem ein Flusskrebs lebt, wohl die einzige Krebsart, die man gerne hat.

Wenn es bzw. man gut läuft, juckt es irgendwann unter den Zehennägeln (bildlich gesprochen): Ob ich wohl einen Marathon laufen könnte? Das ist ja mittlerweile ein Volkssport und dem Gitarrespielen nicht unähnlich: Man muss ewig trainieren, nur um dann festzustellen, dass Tausende andere es besser können. Die 42,195 Marathonkilometer sind bekanntlich die Entfernung vom Stadion in Shepherd’s Bush bis zum Schloss der Windsors. Das ist schon ein Brett. Eine Bekannte, die gar nicht danach aussieht, ist neulich einen gelaufen. Die kann aber auch nicht stillsitzen. Leute, die sehr viel laufen, laufen vor irgendwas davon, im Zweifel vor sich selbst. Darum ne quid nimis, wie der weniger verkniffene Lateiner Terenz sagt: Nichts im Übermaß.

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