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Aus: Ausgabe vom 15.11.2024, Seite 1 / Titel
Krieg in Gaza

Vertreibung beabsichtigt

UN-Ausschuss sieht »Merkmale eines Genozids« in Gaza. Israelische Armee zerstört Beduinendorf im Negev
Von Nick Brauns
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Von Polizisten geschützt, wurde am Donnerstag die Moschee im Beduinendorf Umm Al-Hiran abgerissen, um Platz für eine jüdische Siedlung zu schaffen

Die israelische Luftwaffe hat nach Militärangaben vom Donnerstag innerhalb von 24 Stunden Angriffe auf über 100 angebliche Hamas- und Hisbollah-Ziele im Gazastreifen und im Libanon geflogen. Die israelische Kriegführung im Gazastreifen erfülle die Merkmale eines »Völkermordes«, konstatierte derweil ein Sonderausschuss des Menschenrechtsbüros der Vereinten Nationen. Israel verursache »vorsätzlich Tod, Hunger und schwere Verletzungen, indem es Hunger als Kriegsmethode einsetzt und die palästinensische Bevölkerung einer kollektiven Bestrafung unterzieht«, heißt es in dem Donnerstag vorgelegten Bericht zu den Entwicklungen in den palästinensischen Gebieten zwischen 7. Oktober 2023 und Juli 2024.

Den Vorwurf gegen Israel, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen zu verüben, erhob am selben Tag die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in ihrem 154seitigen Bericht »Hoffnungslos, ausgehungert und belagert«. 90 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens seien seit Kriegsbeginn vertrieben worden. »Israel hat seine Verpflichtung, die Rückkehr der Palästinenser in ihre Heimat zu gewährleisten, eklatant verletzt und in großen Gebieten praktisch alles dem Erdboden gleichgemacht«, heißt es in der auf der Befragung von Vertriebenen, der Auswertung von Evakuierungsbefehlen, Satellitenbildern, Fotos und Videos beruhenden Studie. Die Zerstörung von Häusern und ziviler Infrastruktur sei so groß, dass sie auf die von Mitgliedern des Kriegskabinetts bereits in den ersten Tagen des Krieges geäußerte Absicht hindeute, viele Menschen dauerhaft zu vertreiben. »Die Lieferung zusätzlicher Waffen und die Unterstützung Israels durch die Vereinigten Staaten, Deutschland und andere ist ein Freibrief für weitere Greueltaten und setzt sie zunehmend dem Risiko aus, Komplizen zu werden«, warnte HRW-Vertreterin Nadia Hardman. Doch einem Vorstoß des EU-Außenbeauftragen Josep Borrell zur Aussetzung des politischen Dialogs mit Israel wegen »ernsthafter Bedenken über mögliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Gaza«, erteilte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag umgehend eine Absage.

Von ihren Wohnorten vertrieben werden nicht nur Palästinenser in Gaza, sondern auch arabische Beduinen im Kernland Israels. Nach Erteilung der Abrissgenehmigung durch den faschistischen Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, rissen am Donnerstag Armee- und Polizeikräfte die Moschee im Dorf Umm Al-Hiran ab. An Stelle des seit 1956 bestehenden Ortes mit rund 300 arabischen Einwohnern wollen ultraorthodoxe Juden die Siedlung Dror gründen. Ihre als Schwarzbauten eingestuften Wohnhäuser hatten Einwohner des Dorfes in den vergangenen Tagen bereits »freiwillig« zerstört, andernfalls hätten sie die Abrisskosten tragen müssen.

Die Beduinen sind zwar israelische Staatsbürger, doch sie erhalten im Apartheidstaat ebenso wie Palästinenser so gut wie keine Baugenehmigungen. »Jedes illegale Haus hat ein Schicksal – den Abriss«, tönte Ben-Gvir am Donnerstag. Dies sei der einzige Weg, um Regierungsgewalt und Souveränität über die Negev-Wüste wiederherzustellen. Seit Jahresbeginn 2024 sei die Zahl der Abrissverfügungen für »illegale« Häuser dort um 400 Prozent angestiegen. Laut dem »Regionalrat für die nicht anerkannten Beduinendörfer in der Negev-Wüste« leben in 37 solcher Orte etwa 150.000 Menschen.

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