75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Freitag, 15. November 2024, Nr. 267
Die junge Welt wird von 2974 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 15.11.2024, Seite 2 / Ausland
Freiheit für Abdullah Öcalan

»Ohne Öcalan ist eine Lösung undenkbar«

Köln: Kurdische Bewegung mobilisiert zu Großdemo am Sonnabend. Ein Gespräch mit Şîlan Ergîn
Interview: Tim Krüger
imago778744208.jpg
Demonstranten in London (10.11.2024)

Seit über einem Jahr läuft eine internationale Kampagne für die Freiheit des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalans. Kommendes Wochenende werden Tausende Menschen zu einer europaweiten Demonstration in Köln erwartet. Warum gehen Sie am 16. November auf die Straße?

Die anhaltende Isolation von Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel İmralı betrifft nicht nur das Schicksal eines einzelnen, sondern ist ein Spiegelbild der politischen Situation in der Türkei. Seit fast 26 Jahren ist Öcalan inhaftiert, und während in den vergangenen Jahren die Repression gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei und im Ausland immer weiter intensiviert wurde, lebte auch er die vergangenen neun Jahre unter völliger Isolation. Die Isolationshaft ist ein deutliches Symbol für den autoritären Kurs der türkischen Regierung, die jeden Dialog mit der kurdischen Bevölkerung und ihren Vertretern abbricht und statt dessen auf Krieg setzt. Auch die völkerrechtswidrigen Angriffe auf Südkurdistan, Rojava und Şengal, mit denen die Türkei versucht, die Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung zu zerstören, müssen als Teil der umfassenden Kriegspolitik, gegen die kurdische Identität und den politischen Status des kurdischen Volkes gesehen werden. Eine Freilassung Öcalans wäre der erste Schritt, um einen Dialog zu eröffnen und die Kriegspolitik zu beenden, die heute nicht nur das Leben der Kurden gefährdet, sondern auch die gesamte Region destabilisiert.

Warum ist die Lösung der kurdischen Frage so eng mit der Freiheit Abdullah Öcalans verbunden?

Die Absetzung der demokratisch gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der kurdischen Städte Mêrdin, Êlih und Xelfetî und die Einsetzung AKP-treuer Zwangsverwalter, haben ein weiteres Mal gezeigt, dass es im aktuellen politischen System der Türkei kein wirkliches Interesse an einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage gibt. Mit seinem Konzept des Demokratischen Konföderalismus formulierte Abdullah Öcalan eine umsetzbare Alternative, die das Konstrukt der Einheit von Nation und Staat in Frage stellt und die anhaltenden Konflikte beenden könnte. Für die Mehrheit der Kurden bleibt Öcalan daher eine repräsentative Schlüsselfigur in einem möglichen Friedensprozess. Ohne seine physische Befreiung und die Anerkennung seiner Rolle in Verhandlungen ist eine wirkliche Lösung der kurdischen Frage undenkbar.

Seitdem am 23. Oktober ein überraschender Besuch bei Öcalan zugelassen wurde, gibt es wilde Spekulationen über mögliche Verhandlungen. Zeigt der türkische Staat tatsächlich die Bereitschaft zur Lösung?

Der Besuch am 23. Oktober ist kein Schritt des türkischen Staates in Richtung eines Friedensprozesses. Es ist ein grundlegendes Menschenrecht, dass Gefangene ihre Angehörigen und ihren Rechtsbeistand empfangen dürfen. Die Tatsache, dass der türkische Staat Abdullah Öcalan dieses Recht über Jahre hinweg verweigert hat, zeigt deutlich seinen fehlenden Willen, einen echten Frieden zu suchen. Der Besuch ist vielmehr das Ergebnis des Drucks und der Bemühungen des kurdischen Volkes. Doch dieser Besuch allein reicht bei weitem nicht aus, um den Konflikt in Kurdistan zu lösen. Um tatsächlich Frieden zu schaffen, muss der türkische Staat ernsthaft bereit sein, mit Abdullah Öcalan auf Augenhöhe zu verhandeln und einen aufrichtigen Dialog zu führen.

Was sind Ihre Forderungen an die deutsche und europäische Politik?

Wir fordern von der deutschen und europäischen Politik, endlich wirksamen Druck auf die Türkei auszuüben, um die Menschenrechte von Abdullah Öcalan zu respektieren. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 2014 die rechtswidrigen Haftbedingungen Öcalans festgestellt, doch die Türkei hat nichts unternommen, um sie zu ändern. Trotz dieses Urteils und der anhaltenden Isolation wird der Türkei keine Rechenschaft auferlegt. Es ist an der Zeit, dass Europa Sanktionen verhängt und die Türkei zur Umsetzung der Menschenrechtsstandards zwingt. Die Freiheit Öcalans ist entscheidend für einen echten Friedensprozess und die politische Lösung der kurdischen Frage.

Gespräch mit Şîlan Ergîn, Aktivistin der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (YJK-E)

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • PKK-Anhänger demonstrieren gegen Faschismus in der Türkei und fo...
    29.07.2024

    Appell für Öcalan

    Nobelpreisträger rufen internationale Institutionen auf, sich für eine Freilassung des in der Türkei inhaftierten PKK-Gründers einzusetzen

Mehr aus: Ausland