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Aus: Ausgabe vom 15.11.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Deutsche Kolonialgeschichte

Kongokonferenz interessiert nicht

140 Jahre nach der in Berlin vollzogenen kolonialen Aufteilung Afrikas ist erinnerungspolitisch von der Bundesregierung nichts zu erwarten
Von Ina Sembdner
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»Gerechtigkeit kann nicht warten«: Gedenkmarsch am 28. August in Berlin

Der 140. Jahrestag der sogenannten Kongokonferenz in Berlin an diesem Freitag ist mal wieder ein Paradebeispiel dafür, wie weit Rhetorik und Handeln des Auswärtigen Amtes auseinanderliegen. Wer ein erinnerungspolitisches Aufgebot für dieses bis heute in gewaltvoller Weise nachwirkende Ereignis erwartet, bei dem der Kontinent Afrika zwischen den Kolonialmächten aufgeteilt wurde, wird enttäuscht. Wie aus der Antwort einer kleinen Anfrage der BSW-Gruppe im Bundestag vom 31. Oktober hervorgeht, plant die Regierung »mehrere Veranstaltungen, die in Verbindung mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, auch aus den ehemaligen Kolonien, zur Erinnerung an die Konferenz und ihre Folgen durchgeführt werden«.

Konkret handelt es sich lediglich um eine Veranstaltung vom Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit am 4. Dezember, bei der sich mit kolonialen Kontinuitäten in diesem Politikfeld auseinandergesetzt werden soll. Geplant sei dazu auch, die Botschafterinnen und Botschafter der Partnerländer des Ministeriums einzuladen. Weiterhin gebe es ein »hochrangiges Symposium« Ende Januar von der Deutschen Afrika Stiftung, der tansanischen Universität Daressalam und dem Farafina Afrikahaus Berlin, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock geladen sind. Eine Entscheidung zur Teilnahme gebe es jedoch noch nicht. Das Auswärtige Amt selbst wird demnach »im öffentlich zugänglichen Bereich« der Behörde »über die Konferenz und Maßnahmen der Bundesregierung zur Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit« informieren. Details zu dieser Veranstaltungsreihe mit dem vollmundigen Titel »Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit – im Dialog mit der Zivilgesellschaft« werden nicht genannt.

Auch an anderer Stelle wird betont, dass man sich einem »notwendigen Dialog und Austausch mit den betroffenen Gesellschaften« verpflichtet fühlt. Für die außenpolitische Sprecherin der BSW-Gruppe, Sevim Dagdelen, fällt das in den Bereich »Heuchelei und Politik der doppelten Standards bei Völkerrechtsbrüchen«, wie sie jW am Donnerstag sagte. Für die zunehmende Unglaubwürdigkeit der Grünen-Außenministerin im globalen Süden stehe stellvertretend »die scharfe Kritik des zwischenzeitlich verstorbenen Präsidenten Namibias, Hage Geingob, Deutschland sei unfähig, Lehren aus seiner grausamen Geschichte zu ziehen«.

Statt angemessen erinnerungspolitisch zu agieren, ließ Baerbock lieber am Dienstag einen Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau plazieren. Dort kritisiert sie gleich eingangs, dass die damalige Konferenz stattfand, »ohne einen einzigen Vertreter der betroffenen Länder und Gesellschaften am Tisch«. Genau das wird der Bundesregierung allerdings auch von den Nachfahren der Herero und Nama vorgeworfen, die von den Verhandlungen zur deutsch-namibischen »Gemeinsamen Erklärung« ausgeschlossen blieben. So verurteilte der Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation, Nandiuasora Mazeingo, im vergangenen Jahr die Behauptung der Regierungen in Berlin und Windhoek, die Betroffenen seien angemessen beteiligt gewesen. »Wir haben und werden uns nicht an dieser Scheinübung beteiligen.«

Eine solche war offenbar auch der Versuch der Grünen-Kulturstaatsministerin Claudia Roth, ein »Rahmenkonzept Erinnerungskultur« zu erstellen. Wie die Wissenschaftlichen Dienste im Sommer veröffentlichten, sei darin ein Lern- und Erinnerungsort in Aussicht gestellt worden, der über die deutsche und europäische Kolonialherrschaft insbesondere in Afrika und deren Folgen aufklären sollte. Der Entwurf sei jedoch »nach intensiver öffentlicher Debatte und der heftigen Zurückweisung insbesondere aus dem Kreis von Vertretern der NS-Gedenkstätten« zurückgezogen worden. Diese hätten Roth eine »Verharmlosung der NS-Verbrechen« vorgeworfen.

Nichtsdestotrotz wird in Berlin daran festgehalten, dass man die Aufarbeitung »mittlerweile konsequent und systematisch« angehe, was Dagdelen als Autosuggestion zurückweist. Die Außenpolitikerin erinnerte daran, dass vor allem geopolitische Interessen im Vordergrund stünden. »Die langjährige Beteiligung der Bundeswehr an den Militäreinsätzen in Mali oder Niger an der Seite der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich führt jedes Selbstlob im Grünen-geführten Außenministerium über koloniale Aufarbeitung ad absurdum.«

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